
Man sollte früh kommen. Unbedingt. Denn dann kann man die Kraft noch spüren, die in den uralten Mauern von Stift Sunnisheim gespeichert ist. Und wenn man in solch einem stillen Moment die Hand sanft an den trutzigen Kirchturm legt, fühlt es sich an, als schmiege er sich hinein. Manchmal beginnt er sogar zu erzählen.
Von den Benediktinern, die hier gelebt haben. Von ihren stillen Gebeten in dem mächtigen Kloster, das einst über die gesamte Region gebot. Bis die Zellen verwaisten und die Mauern zerbröckelten. Sogar von Abriss war die Rede, doch so weit ist es glücklicherweise nicht gekommen. Heute ist Stift Sunnisheim ein modernes Kulturzentrum. Ein Ausflug auf den Michaelsberg bei Sinsheim, wo einst das Herz des Kraichgaus schlug.

Die Mönche lebten in vollkommenen Schweigen, selbst beim Essen sprach man nicht.
Die Klöster des Mittelalters müssen Orte von solch radikaler Abgeschiedenheit gewesen sein, wie wir sie uns heute nicht mehr vorstellen können. Die Mönche lebten in vollkommenem Schweigen, selbst beim Essen sprachen sie nicht. Lediglich die Gottesdienste unterbrachen die Stille, die – so sagt man – zu einer wunderbaren Klarheit des Geistes führte. Viele halten das monastische Schweigen sogar für einen Vorgeschmack aufs Himmelreich.
Der Michaelsberg, etwa einen halben Kilometer östlich der Sinsheimer Altstadt gelegen, eignete sich ideal für solch ein kontemplatives Leben. Weil er das besitzt, was man eine „spirituelle Aura“ nennt.

Das haben schon die Römer gespürt, die den Kraichgau als Kornkammer nutzten. Auf dem Michaelsberg hat man einen Viergötterstein, Wandmalereien und römische Scherben gefunden. Heute birgt das Sinsheimer Stadtmuseum diese Relikte eines Heiligtums.
Alles im Stil der wagemutigen Gotik. Mit viel Maßwerk und verrückten Wasserspeiern.
Das Benediktinerkloster wurde um 1100 gegründet. Es war von Anfang an sehr populär und wuchs schnell. Schon bald musste die Klosterkirche nach Westen erweitert werden. Bei dieser Gelegenheit errichtete man auch unseren Turm mit der extravaganten achteckigen Steinkuppel, die Mauer und die Toranlage. Alles im Stil der wagemutigen Gotik, mit viel Maßwerk, hohen Fenstern und verrückten Wasserspeiern an allen Ecken. Die Dendrochronologie beziffert den Dachstuhls auf das Jahr 1234.

Die Kirche von Stift Sunnisheim muss eine phantastische dreischiffige Basilika mit Triumphbogen gewesen sein. Experten vermuten, dass sie sogar größer war als die Klosterkirche von Bad Wimpfen.
Der Mönchschor war durch einen blickdichten Lettner vom Langhaus getrennt. Hohe gotische Fenster tauchten das Schiff in mystische Farbspiele. Eine lange Treppe führte von Sinsheim hinauf zum Stift.
Stift Sunnisheim ist es viel schlechter ergangen als Wimpfen oder Maulbronn.
All diese Schönheit kann man heute nur noch mit dem inneren Auge sehen. Weil es Stift Sunnisheim viel schlechter ergangen ist als den Klöstern in Wimpfen und Maulbronn. 1563 reformierte Kurfürst Friedrich III. die Kurpfalz. Radikal calvinistisch. Das Kloster wurden aufgelöst; die Altäre, der Kirchenschmuck und das Chorgestühl brannten auf dem Scheiterhaufen.

Der Chor diente nun als Stall, bis die Truppen des französischen Sonnenkönigs auch ihn verwüsteten. Dabei stürzte der Triumphbogen ein und zermalmte die Krypta. 1756 hat man Stift Sunnisheim zum Kornspeicher degradiert; 1963 zur Turnhalle umgebaut.
Längst ist der achteckige Turm zum Wahrzeichen von Sinsheim avanciert.
Der endgültige Abriss wäre unausweichlich gewesen, hätte sich nicht in letzter Sekunde der Rhein-Neckar-Kreis eingeschaltet. Mit viel Gespür für das Flair des Ortes ließ er die ehemalige Kirche zum Kulturzentrum umbauen. Hell, elegant, modern. Unser trutziger Freund, der 35 Meter hohe Turm, freut sich heute über Konzerte, Ausstellungen, Lesungen und Vorträge. Der Turm selbst ist längst zum Wahrzeichen der Stadt Sinsheim avanciert.
Kirchenfakten |

Name: Stiftskirche Sunnisheim Adresse: Stiftsstraße 15, 74889 Sinsheim Konfession: ohne Konfession Baujahr: um 1100 Baustil: Gotik/ Moderne Öffnungszeiten: nach Vereinbarung Kontakt: Stadtverwaltung Sinsheim, Hauptstraße 92, 74889 Sinsheim Telefon: 07261-404109 E-Mail: tourismus@sinsheim.de Internet: www.sinsheimer-erlebnisregion.de oder: www.kultur-im-kreis.net |