Lauffen: Die Prinzessin im Fluss

Die gotische Kirche über dem Neckar birgt das Grab der ermordete Regiswindis.

Man sollte gut aufpassen, wem man sein Kind anvertraut. Sonst geht womöglich alles schief. So wie beim Grafen von Lauffen am Neckar. Er übergab sein Töchterchen Regiswindis mit sieben Jahren einer Amme zur Erziehung. Dummerweise besaß diese Frau einen nichtsnutzigen Bruder, der die Pferde des Grafen malträtierte. Der Graf ließ den Knecht auspeitschen; die Amme warf das Töchterchen vom Turm in den Neckar.

Regiswindis war sofort tot. Ihr Leichnam ging jedoch nicht unter, sondern trieb tagelang lichtumflort auf dem Fluss. Sofort sprach der Papst das Mädchen heilig, und der Graf ließ ihr ein Holzkirchlein bauen, auf einem Felsen jenseits des Neckars, direkt gegenüber von seinem Schloss. Das ist bis heute ein magischer Ort. Auf nach Lauffen! 

Links des ehemaligen Schlosses fließt der Fluss in die eine Richtung, rechts in die andere.

Die tote Regiswindis im Neckar. Das Gemälde entstand um 1480.

Als Gott das Neckarbecken geschaffen hat, in dem Lauffen liegt, muss er sehr gut gelaunt gewesen sein. Ja, fast schon ein wenig übermütig. Denn der Fluss umschlingt das Städtchen in einer vollen Schlaufe. Links des ehemals gräflichen Schlosses fließt er in die eine Richtung, rechts in die andere. Und oben auf ihrem Felsvorsprung genießt die Regiswindiskirche das Naturschauspiel.

Die Neckarschlinge, zehn Kilometer südwestlich von Heilbronn, ist eine hochfruchtbare Gegend. Die Winter sind mild, die Böden wertvoll. An allen Hängen wächst Wein. Seit Urzeiten siedeln hier Menschen. 

Auch Friedrich Hölderlin wurde in Lauffen geboren. 1770.

„Ihr milden Lüfte! Boten Italiens!/ Und du mit deinen Pappeln, geliebter Strom! / Ihr wogenden Gebirg! o all ihr/ sonnigen Gipfel, so seid ihr’s wieder?“ Verse von Friedrich Hölderlin. Er wurde in Lauffen geboren. 1770. 

Schon 840 strömten die Pilger in Massen zum Grab des heiligen Mädchens.

Der elegante hohe Chor stammt aus der Spätgotik.

Neunhundert Jahre zuvor machten sich Graf Ernst und Gräfin Fridburga – sie war eine Enkelin von Karl dem Großen – schweren Herzens daran, ihr Töchterchen zu Grabe zu tragen. Drüben am anderen Neckarufer in der Holzkapelle. Dass diese eigentlich Sankt Martin geweiht war, kümmerte niemanden mehr. Ab sofort war es die „Regiswindiskirche“.

Nie hätte sich das Grafenpaar träumen lassen, dass die Pilger plötzlich in Massen nach Lauffen strömten, um am Grab des heiligen Mädchens zu beten. Um 840 sah sich der Bischof von Würzburg sogar gezwungen, eine größere Kirche bauen zu lassen. So viele Leute kamen. Heute ruht die Heilige in einer eigenen Steinkapelle auf dem Kirchhof. 

Die kühne Basilika, erbaut 1227, war eine der ersten gotischen Kirchen in Deutschland.

Die Wallfahrt spülte Geld ins Städtchen. Im Mittelalter muss es in Lauffen gebrummt haben. Gutshöfe siedelten sich an, Gasthäuser, Pilgerherbergen. 1227 schließlich legte man den Grundstein für eine gotische Basilika. Kühn strebte sie himmelwärts. Damals ein absolutes Novum in Deutschland.

Leider hat ein Blitz diese Schönheit vernichtet. Nur ein einziges gotisches Fenster ist geblieben.

Das schillernde Langhaus entstand in der Renaissance.

Aber auch an der heutigen Kirche – wunderbare Spätgotik – weidet sich das Augen. Der elegante Chor ist durchflutet von Licht, während sich das Langhaus evangelisch-schlicht zurückhält. Die Renaissance hat zum Spiel von Sonne und Schatten wunderbare Ornamente an den Wänden hinzugefügt.

Traumhaft ist wie eh und je ist der Blick hinunter auf die Neckarschleife. Und manchmal, wenn das Licht in einem ganz besonderen Winkel einfällt, meint man zwischen den Wellen die kleine Regiswindis zu erkennen, umflort und gestreichelt von dem Strahlen der Sonne. 

Kirchenfakten
Name: Evangelische Stadtkirche Michelstadt
Adresse: Am Kirchplatz 1, 64720 Michelstadt
Konfession: evangelisch
Baujahr: 1537
Baustil: Gotik
Kunstschätze:
– erstes dreistimmiges Glockenspiel Deutschlands
– romantische Jann-Orgel auf der Rückempore
– zahlreiche Renaissance-Grabmale aus Alabaster
– Epitaphien
– Mittelalterliches Taufbecken
– mittelalterliche Grabplatten 
Öffnungszeiten: Seiteneingang tagsüber geöffnet
Kontakt: Büro der Stadtkirche, Obere Pfarrgasse 22, 64720 Michelstadt
Telefon: 06061-2390
E-Mail: info@stadtkirche-michelstadt.de
Internet: www.stadtkirche-michelstadt.de

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