Kloster Maulbronn: Der Zauber der Askese

Sieben Mal am Tag beteten die Mönche im Chorgestühl.

Früh morgens, wenn noch kaum Besucher da sind, fangen die alten Steine manchmal an zu erzählen. Wie es war, als noch die Mönche in ihren schwarz-weißen Habits in die Kirche eingezogen sind. Um zwei Uhr nachts, in tiefer Finsternis und absolutem Schweigen. Dann die ersten Worte jeden neuen Tages: „Deus in adiutorium meum intende“. „Oh Gott, komm mir zu Hilfe“.

Wo endet die Gegenwart? Wo beginnt die Vergangenheit? Nirgendwo ist diese Frage so schwer zu beantworten wie im Kloster Maulbronn. Die ehemalige Zisterzienserabtei scheint in einem Zwischenreich zu schweben zwischen Himmel und Erde. Ihre Mauern kündet von Gebet, Askese und Arbeit. Ein Ausflug ins Mittelalter.

Mitten im Niedergang der Klöster entsteht ein neuer radikaler Männerorden.

Wir schreiben das Jahr 1098. Die Zustände in den europäischen Klöstern schreien zum Himmel. Es wird mehr gefeiert als gebetet. Orgien sind an der Tagesordnung. Entsetzt ob dieser Verrohung, gründet Abt Robert de Molesme in der sumpfigen Einsamkeit des Burgund beim Dorf Cîteaux ein „Novum monasterium“. Einen neuen asketischen Männerorden, der in radikaler Einsamkeit nach der Regel des heiligen Benedikt lebt.

Die Kirchen der Zisterzienser zierten nur schlichte Dachreiter.

Die „Zisterzienser“ treffen einen Nerv der Zeit. Schon bald stehen junge Männer Schlange. Hundert Jahre später gibt es in Europa fast 2000 „Zisterzen“.

Einen Großteil ihres Erfolgs verdanken die Zisterzienser dem heiligen Bernhard von Clairvaux. 1112 war der begnadete Rhetoriker in Cîteaux eingetreten, wo er sich aber nicht oft aufhielt. Meist war Bernhard unterwegs, um in ganz Europa vom Glück der Askese zu künden.

Die Brüder bauten Wein und Gemüse an, um die boomenden Städte zu beliefern.

1147 überschrieb ein adliger Erbe den Zisterziensern ein großes Stück Land irgendwo im Nirgendwo zwischen Bretten und Pforzheim. Zwölf Mönche wurden entsandt, um dort ein Kloster zu gründen. Sie benannten es nach einem alten „Mulenbrunnen“, der am Bach stand. Maulbronn besaß ideale Bedingungen für eine Zisterze. Es lag umgeben von sonnigen Hängen und weiten Feldern. Die Brüder konnten Wein, Obst und Gemüse anbauen, um damit die Märkte in den gerade boomenden Städten zu beliefern. Der Gewinn aus dem lukrativen Geschäft floss komplett in den Kirchenbau.

Ein Mönch durfte den Klosterbezirk sein Leben lang nicht wieder verlassen.

Im Brunnenhaus wuschen sich die Mönche und sie rasierten sich ihre Tonsur.

Das Kloster selbst war eine hermetisch abgeschlossene Welt. Ein Mönch, der seine Profess abgelegt hatte, durfte den Klosterbezirk nie wieder verlassen. Alles, was die Gemeinschaft brauchte, produzierte sie selbst. Die Lebensader des Klosters war das Flüsschen Salzach, das sich zwischen den Gebäuden hindurch schlängelte. Der Fluss lieferte Wasser für die Bäckerei, die Brauerei und die Küche. Er trieb die Mühle an, kühlte die Werkstätten und reinigte am Ende noch die Latrinen. 

Wie alle Zisterzen besitzt auch Maulbronn nur einen schlichten Dachreiter.

So asketisch die Zisterzienser lebten, so kostspielig bauten sie. Kloster Maulbronn ist eine Juwel am Übergang von der Romanik zur Gotik. Und: Es ist fast komplett erhalten. Weshalb das Kloster seit 1993 zum UNESCO-Welterbe gehört. Wie alle Zisterzen besitzt Maulbronn nur einen schlichten Dachreiter. Gemälde, Statuen und farbiges Glas sucht man vergebens. Dennoch ist das Ensemble überwältigend schön. 

Kein Schlussstein im Kreuzrippengewölbe gleicht dem anderen.

Die riesige, hohe Kirche ziert ein herrliches Kreuzrippengewölbe. Kein Schlussstein gleicht dem anderen, jedes Kapitell ist noch phantasievoller gestaltet als das vorhergehende. Man kann sich nicht sattsehen am Einfallsreichtum der Steinmetze. Auch das geschnitzte Chorgestühl, in dem die Mönche sieben Mal am Tag Platz nahmen, ziert überreiche Schnitzerei. Wahrhaft überwältigend jedoch ist die Mystik des Lichts. Jeden Moment scheint es sich zu verändern. Es tanzt, es huscht, es spielt. Es strahlt, es springt, es leuchtet. Wo endet die Gegenwart? Wo beginnt die Vergangenheit?

Kirchenfakten
Name: Kloster Maulbronn
Konfession: evangelisch
Baujahr: 
1147
Baustil: 
Romanik / Gotik
Kunstschätze: 
– romanische Klosterkirche von 1178 mit Lettner
– gotisches Herrenrefektorium
– Laienrefektorium
– Das „Paradies“
– Bruderhalle
– Parlatorium
– Herrenhaus
– Kapitelsaal
– Sakristei
– Kreuzgang aus mehreren Bauphasen
– Brunnenhaus 
Öffnungszeiten: 
täglich von 9.30 Uhr bis 17.30 Uhr
Eintritt:
Erwachsene 9 Euro
Kontakt: 
Kloster Maulbronn, Klosterhof 5, 75433 Maulbronn
Telefon: 
070-4392-6610
E-Mail:
info@kloster-maulbronn.de
Internet: 
www.kloster-maulbronn.de

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