Bad Wimpfen: Barbarossas Vermächtnis

Wimpfens Marktkirche besitzt einen lutherischen Beichtstuhl.

Besonders oft waren die Kaiser nicht da. Zehn, vielleicht zwölf Mal in fünfzig Jahren. Aber wenn die Staufer in Wimpfen weilten, war das Städtchen der Nabel der Welt. Hunderte von Rittern bevölkerten die Burg. Es gab Turniere und Bälle, Minnesang und Festmahle. Solch rauschende Vergangenheit prägt einen Ort. Und das Selbstbewusstsein der Menschen, die hier leben.

Früh hat sich Wimpfen den Status als Reichsstadt erkämpft. Früh die lutherische Reformation eingeführt. Vor allem aber haben sich die Wimpfener eine phantastische gotische Kirche gebaut. Mit einem lutherischen Beichtstuhl! Er existiert noch. Eine kleine Sensation.

Die Kaiser des Mittealters kannten keinen festen Wohnsitz. Sie waren ganzjährig unterwegs.

Wenn man Menschen bittet, die ideale Landschaft zu zeichnen, malen sie erst einen Fluss mit Brücke, dann einen Berg dahinter. Am anderen Ufer erstrecken sich Felder, Dörfer und Wälder bis zum Horizont. Genau so malerisch liegt Bad Wimpfen. Schon die Menschen der Steinzeit haben hier am Neckar gesiedelt. Die Römer ein Kastell und eine Fernstraße gebaut. Und die Franken ein erstes Kirchlein. Noch unten im Tal.

Das Kreuzgratgewölbe und die acht Flügelaltäre sind feinste Spätgotik .

Die Höhe eroberte Stauferkaiser Friedrich I., genannt Barbarossa. 1182 ließ er auf dem Bergsporn eine „Pfalz“ errichten. Das Wort kommt vom lateinischen „paladium“ und bedeutet „Sitz des Herrschers“, was aber in die Irre führt. Die Kaiser des Mittelalters kannten keine festen Wohnsitze. Sie waren ganzjährig in ihrem Riesenreich unterwegs. Mitsamt ihres Hofstaats.

Beständig wurden die Türme erhöht, ein gotischer Chor angebaut, das Langhaus erweitert …

Der Weiler Wimpfen lag ein Stück von der Pfalz entfernt, weniger exponiert. Um 1000 wird von einem Kirchlein berichtet, gewidmet der Gottesmutter. Jedes andere Dorf wäre damit zufrieden gewesen, doch Wimpfen wollte mehr. Beständig wurden die Türme erhöht, ein gotischer Chor angebaut, das Langhaus erweitert … Bis 1254 die Ära der Staufer zu Ende ging. Und mit ihr die Zeit der Pfalz.

Den kostbaren Flügelaltar stiftete eine Wimpfener Familie im Jahr 1500.

Sowohl der Bischof von Woms wie der Freiherr von Weinsberg hätten sich Wimpfen gern unter den Nagel gerissen, doch das Städtchen war flinker. Längst hatte es beim neuen Kaiser den Status einer Reichsstadt beantragt – und erhalten. Kaum gehörte Wimpfen nur noch sich selbst, erblüht der Handel auf dem Neckar. Bald säumte stattliches Fachwerk die Straßen.

Über dem Marktplatz wachsen die Türme der stolzen Basilika 44 Meter in die Höhe.

Da durfte die Kirche natürlich nicht hinten anstehen. Seit 1523 erhebt sich über den Markt eine gotische Basilika von großer Schönheit. Ihre stolzen Türme wachsen 44 Meter in die Höhe, das Langhaus misst mehr als 37 Meter. Der schlanke Chor, das Kreuzgratgewölbe und die acht Flügelaltäre gehören zum Feinsten, was die Spätgotik zu bieten hat. Und doch ist das Gotteshaus mit jedem Zoll eine Bürgerkirche. Die Schlusssteine im Gewölbe zieren keine Engel, sondern die Wappen der Zünfte.

Wer nicht beichtete, war vom Abendmahl ausgeschlossen.

1525 kam die Reformation nach Wimpfen. In Gestalt des Erhard Schnepf. Der junge Geistliche hatte in Heidelberg Theologie studiert und Luthers Disputation miterlebt. Seither brannte Schnepf für die lutherischen Theologie. Als er auch noch die Tochter des Wimpfener Bürgermeisters heiratete, lief das Bergstädtchen geschlossen zum neuen Glauben über. Dabei ist man bis heute mehrheitlich geblieben.

Bis ins 19. Jahrhundert mussten auch Lutheraner ihre Sünden bekennen.

Das Luthertum ging sanfter um mit den Gefühlen der Gläubigen als der Calvinismus in der Kurpfalz. Die prächtigen Altäre durften ebenso bleiben wie die bildhübsche Madonna an der Fassade. Selbst die Beichte behielt Luther bei. Bis ins 19. Jahrhundert hinein musste jeder Evangelische, der am Abendmahl teilnehmen wollte, zuvor seine Sünden bekennen. Den Wimpfener Beichtstuhl gibt es noch. Er ist nach allen Seiten offen. Besonders schwer können die Verfehlungen nicht gewesen sein, die man in Wimpfen zu bekennen hatte.

Kirchenfakten
Name: Evangelische Stadtkirche Bad Wimpfen
Adresse: Marktplatz, 74206 Bad Wimpfen
Konfession: evangelisch
Baujahr: 1270 / 1523
Baustil: Gotik
Kunstschätze:
– Pietà um 1370
– hochgotischer Chor mit Glasmalereien
– hochgotische Madonna von Bernhard Sporer
– gotisches Sakramentshaus
– Kruzifixus mit Echthaar von 1481
– mehrere spätgotische Altäre um 1519
– monumentales Wandbild des Jüngsten Gerichts von Heinrich Vogtherr dem Älteren 1525
– Epitaph des Philipp Jakob von Fleckenstein von 1622
– lutherischer Beichtstuhl von 1700
– Barocke Kanzel mit siegreicher Christusfigur Ende 17. Jahrhundert
– Orgel mit reich geschmücktem Pospekt von 1747 von Johann Adam Ehrlich
Öffnungszeiten:
Sonntags geöffnet. Von April bis Ende Oktober: Freitag, Samstag, Sonntag, Feiertagvon 10 bis 12 Uhr und 14.30 bis 16.30 Uhr
Kontakt: Evangelisches Pfarramt, Kirschenweg 27, 74206 Bad Wimpfen
Telefon: 07063-313
E-Mail: gemeindebuero-1@kirche-badwimpfen.de
Internet: www.kirche-badwimpfen.de

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