Wiesloch: Mit direktem Blick ins Himmelreich

Ein Schutzengel bewacht St. Laurentius am Wieslocher Markt.

Geschlafen hat niemand in dieser denkwürdigen Nacht des Jahres 1803. Dazu waren Wieslochs Katholiken viel zu aufgeregt. Am Morgen sollte die barocke Klosterkirche versteigert werden. 6600 Gulden hatte die Gemeinde gesammelt, um das Gotteshaus zu erwerben. Aber würde das reichen? Was, wenn jemand mehr böte?

Um die Kirche womöglich in einen Kutschstall zu verwandeln, ganz nach dem Geschmack von Kaiser Napoleon.

Doch die Befürchtungen waren umsonst. Die Katholiken erhielten den Zuschlag und beten seither in einer schönsten Rokoko-Kirchen der Region. Gerade ist St. Laurentius frisch renoviert worden. Zeit für einen Ausflug in ein barockes Himmelreich.

Viel Gold und überall Engel und Putten: Barock pur.

Das Südende der Bergstraße war das bevorzugte Ausflugsziel der Kurfürsten.

Wiesloch ist Kurpfalz pur. Jahrhundertelang war die Stadt am Südende der Bergstraße das bevorzugte Ausflugsziel der Kurfürsten. Man konnte hier wunderbar jagen und bekam stets ein edles Tröpfchen kredenzt, gereift an den Sonnenhängen der Stadt. Zudem war in Wiesloch immer was los, weil sich hier die beiden großen Handelsstraßen nach Nürnberg und Basel kreuzten. Die Händler und die Märkte haben die Stadt reich gemacht.

Die Nähe zum Heidelberger Schloss hatte aber auch Schattenseiten. Ab dem 16. Jahrhundert mussten die Wieslocher beständig die Konfession wechseln. Je nachdem, woran der aktuelle Kurfürst gerade glaubte. Erst war man katholisch, dann lutherisch, dann calvinistisch. Dann wieder lutherisch, wieder calvinisitisch … Das verlangte viel von den Menschen.

Sanft geschwungene Formen sorgen für Eleganz.

Am 28. Januar 1689 brannten die Truppen des französischen Sonnenkönigs Wiesloch auch noch komplett nieder. Kurz darauf ging Heidelberg in Flammen auf.

Weil aber der Kurfürst katholisch glaubte, ließ er flugs noch ein zweites Kirchlein in Wiesloch bauen.

Der Friedensvertrag von 1705 garantierte Glaubensfreiheit. Die Kirchen wurden unter den Konfessionen aufgeteilt. Da es in Wiesloch deutlich mehr Reformierte gab, erhielten sie die gotische Stadtkirche. Weil aber der neue Kurfürst in Düsseldorf katholisch glaubte, ließ er flugs noch ein zweites Kirchlein in Wiesloch bauen. Aus den Steinen des zerstörten Stadtschlosses.

Zusätzlich beorderte Johann Wilhelm auch noch einen Konvent von Augustiner-Eremiten nach Wiesloch. 1738 eröffneten die Patres am heutigen Adenauerplatz eine Lateinschule. Dann begann der Bau der Klosterkirche.

Sobald sich die Kirchentür öffnet, steht man mittendrin im Paradies.

Die Decke öffnet sich zum Himmelreich.

St. Laurentius wirkt von außen schlicht. Schmuckloser roter Standstein, bekrönt nur von einem Dachreiter. Wie sich das für eine Mönchskirche gehört. Doch sobald man die Tür öffnet, steht man im Paradies. Patellfarbene Wände und sanft geschwungene Formen machen den Raum licht und elegant. Gold glänzt, wohin man auch sieht. Überall schweben Engel und Putten. Kunstvoll geformter Stuck überzieht die Wände wie architekturgewordener Zuckerguss. Und wenn man den Blick zur Decke erhebt, sieht man mitten hinein ins Reich Gottes.

Mönche, die ihren Habit nicht ablegen wollten, verfrachtete Napoleon in ein „Aussterbekloster“.

Nur knapp sechzig Jahre waren den Augustinern in Wiesloch vergönnt. Dann kamen Napoleon und die Säkularisierung. Die Klöster wurden aufgelöst. Mönche, die ihren Habit nicht ablegen wollten, verfrachtete man ins Karmeliterkloster nach Weinheim. „Zum Aussterben.“

Die Wieslocher Klosterkirche kam unter den Hammer. Es ist ein Wunder, dass es den nur 726 Katholiken tatsächlich gelungen ist, sie zu ersteigern.

Der kunstvolle Stuck wirkt wie architekturgewordener Zuckerguss.

Wie eng man damals kalkuliert hat, zeigt die Tatsache, dass der wertvolle spätgotische Schnitzaltar aus der alten Kirche kurz nach dem Hammerschlag an Kirrlach verkauft wurde. Offensichtlich gab es Schulden zu tilgen.

2008 schließlich hat der Angelbachtaler Künstler Jürgen Goertz einen vier Meter hohen „Schutzengel“ aus Aluminium vor die Tür von St. Laurentius gestellt. Damit Wieslochs Katholiken in Zukunft garantiert ruhig schlafen können.

Kirchenfakten
Name: St. Laurentius
Adresse: Schloßstraße 1, 69168 Wiesloch
Konfession: katholisch
Baujahr: 1751
Baustil: Barock/Rokoko
Kunstschätze:
– Drei prachtvolle Barockaltäre aus Holz mit Skulpturen des Bildhauers Johann Kessler und Altarblättern von Johann Anwander
– Skulpturen des heiligen Ambrosius und des heiligen Augustinus
– Monumentale Deckengemälde zum Leben des heiligen Augustinus
– Deckengemälde über der Orgelempore: Heiliger Konrad
– Moderne Orgel der Firma Matz&Luge (2003)
– Statue des heiligen Laurentius (1760)
– Zahlreiche Engelputten und Engelskulpturen
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: Katholisches Pfarrbüro, Friedrichstraße 8, 69168 Wiesloch
Telefon: 06222-9290-0
E-Mail: st.augustinus@kath-wiedie.de
Internet: www.kath-wiedie.de

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