Heidelberg: Auf Luthers Spuren durch die Altstadt

Martin Luther auf dem Universitätsplatz. Leider nur als Fotomontage.

Die „Heidelberger Disputation“ war ein Weltereignis. Bei der Diskusssion mit den Heidelberger Professoren am 26. April 1518 präsentierte Martin Luther erstmals öffentlich seine neue Theologie.

Die Originalschauplätze dieses historischen Moments sind mit der Zerstörung Heidelbergs im Jahr 1693 leider verschwunden. Trotzdem kann man in der Altstadt auf den Spuren der Reformation wandeln.

Heidelberg im Jahr 1518. Eine sehr kleinteilig bebaute Stadt, umschlossen von einer robusten Sandsteinmauer. In den schmalen Gassen drängelten sich die Fachwerkhäuschen der Fischer, Bauern und Handwerker. Grünflächen und Plätze gab es nicht. Einziger Freiraum im engen Häusergewirr war der Marktplatz vor der Heiliggeistkirche. Erst draußen vor der Mauer wurden die Abmessungen luftiger.

Vier Klöster zählte das mittelalterliche Heidelberg. Die Franziskaner beteten auf dem heutigen Karlsplatz. Die Dominikaner bei der Brunnengasse. Das Zisterzienser-Kolleg stand am Fuß des Schlossbergs und das Augustinerkloster auf dem Universitätsplatz. Hier startet unser Reformations-Spaziergang.

Station 1: Universitätsplatz und Neue Universität

Beim Hexenturms stand einst ein Kloster

Die Grabengasse am Universitätsplatz war im Mittelalter tatsächlich ein Stadtgraben. Zeitweilig sollen sogar Bären in ihm gelebt haben. An der Ostseite des Grabens verlief die Stadtmauer, von der nur ein einziges Stück überlebt hat: Der „Hexenturm“. Er ist 34 Meter hoch und steht oben an der Einmündung zur Seminarstraße. Einst trug der Turm einen kriegerischen Spitzhelm und bewachte das Südende der Stadt.

Wie er das machte, kann man im Innenhof der Neuen Universität betrachten: Während sich die Außenseite des Turms trutzig der Welt entgegenreckte, stand seine Innenseite offen. Wäre es Angreifern gelungen, den Turm zu erobern, hätte sich darin niemand verschanzen können. Woher der „Hexenturm“ seinen Namen hat, weiß niemand. Hexen gab es darin nie. Auch keine Folterungen.

Zehn Tage im Augustiner-Kloster unter dem Hexenturm

Der Augustinermönch Martin Luther traf am 22. April 1518 in Heidelberg ein. Zehn Tage logierte er im Kloster der Augustiner-Eremiten, das sich seit 1279 beim Hexenturm in die Achsel der Stadtmauer schmiegte. Das Rasenstück, auf dem heute die Studenten ihre Pausen verbringen, war im 16. Jahrhundert der Kreuzweg der Abtei. Hier hat der Mönch Martin Luther vom 23. April bis zum 1. Mai 1518 seinen Rosenkranz gebetet.

Das Kloster der Augustiner-Eremiten in der digitalen Rekonstruktion

Das Nordende des Klosters, etwa auf Höhe der heutigen Alten Universität, markierte ein kleines Kirchlein. Wer gute Augen hat, kann kurz vor dem Eingang zur Merianstraße ein Medaillon entdecken, das seit 1983 in den Uniplatz eingelassen ist. Es ist die einzige sichtbare Erinnerung an Luthers Heidelberger Disputation.

Manche Forscher halten die Heidelberger Disputation für den Beginn der Neuzeit

Der Kupferstich des Matthäus Merian zeigt das Augustinerkloster umringt von dreistöckigen Fachwerkhäusern und flankiert von einem prachtvollen Renaissancebau mit Stufengiebeln: Das Collegium der Unversität. Es blickte gen Osten und lehnte mit dem Rücken an der Stadtmauer. An dieser Stelle trug Martin Luther in fließendem Latein seine 40 Thesen vor, die anschließend von fünf Theologieprofessoren zerpflückt wurden.

Vor 1693: Rechts oben die Peterskirche, schräg darunter das Augustinerkloster

Die Thesen des Wittenberger Mönchs waren so revolutionär und modern, dass manche Forscher die Disputation für den Beginn der Neuzeit halten.

Zum Triumphzug  wurde die Disputation für Luther trotzdem nicht. Zwar schwärmten die Studenten begeistert hinaus in die Welt, um als Reformatoren die neue Theologie zu verkünden. Heidelbergs Professoren dagegen reagierten verhalten und glaubten weiter katholisch.

Station 2: Die Heiliggeistkirche

Jenseits des Uniplatzes biegen wir scharf links in die kleine Augustinergasse ein. Vorbei am historischen Karzer gehen wir zur Hauptstraße, wo wir uns nach rechts wenden. Noch ein paar Schritte, dann erreichen wir die evangelische Heiliggeistkirche. Sie ist Gotik in Perfektion. Ihre drei federleichten Schiffe wirken so luftig, als könnten sie jeden Moment zum Himmel hinaufschweben. Kaum zu glauben, dass ausgerechnet in diesem filigranen Gotteshaus jahrhundertelang ein Krieg der Konfessionen ausgetragen wurde.

Die Heiliggeistkirche ist Gotik in Perfektion.

Die Heiliggeistkirche war katholisch, lutherisch, calvinistisch, ja sogar altkatholisch. 230 Jahre lang zerteilte eine raumhohe Mauer die herrliche Kirche in einen katholischen Chor und ein reformiertes Langhaus. Die Kirche wurde vollgestopft und leergeräumt, angezündet und geschändet. Ihre Würde hat sie nie verloren.

Der Pfälzische Kurfürst kehrte als König von Deutschland zurück

Heidelberg im Jahr 1400. Ein Königswahljahr. Der Pfälzische Kurfürst Ruprecht III. taktierte geschickt und kehrte als König von Deutschland an den Neckar zurück. Wo er sofort zu bauen begann. Das Schloss erhielt einen Wohnpalast mit elegantem Rittersaal, die Heiliggeist-Kapelle am Marktplatz wurde abgerissen.

An ihrer Stelle wollte König Ruprecht I. eine gotische Hallenkirche erstehen lassen.  Als standesgemäße Grablege der Pfalzgrafen bei Rhein. Und als Zuhause für die Heidelberger Universität, die gerade gegründet worden war.

König Ruprech I. und seine Gattin Elisabeth ruhen in der Heiliggeistkirche

Die Vollendung „seiner“ Heiliggeistkirche hat Ruprecht I. nicht mehr erlebt. Aber den prachtvollen gotischen Chor mit den elf schlanken spitzen Maßwerkfenstern hat der König wohl schon noch gesehen. Hier ruht Ruprecht neben seiner Gattin Elisabeth noch heute. Was ein Wunder ist. Alle anderen Gräber der Kurfürstenfamilie hat der Pfälzer Erbfolgekrieg verwüstet.

Auf der Empore von Heiliggeist stand die größte Bibliothek der Welt

Ruprecht blieb der einzige Kurpfälzer auf deutschem Thron. Sein Sohn Ludwig III. sah sich als Intellektueller. Weshalb er auf die Idee verfiel, das Langhaus der Heiliggeistkirche als Bibliothek zu konzipieren. Die Bücher standen hoch oben auf zwei breiten Längsemporen, die durch eine schmalere Querempore verbunden waren. Die „Bibliotheca Palatina“ war die größte Bibliothek der Welt.

Vom Chor geht ein Sog aus. Dort will man hin. Sich einhüllen lassen in Licht.

Der Augustinermönch Martin Luther hat die Heiliggeistkirche noch in ihrer ganzen katholischen Pracht mit zwölf Altären und Bibliothek erlebt. Ob Luther – Priester, Theologieprofessor und Büchernarr – in den rund 8500 Handschriften geblättert hat, ist nicht überliefert. Aber es ist sehr wahrscheinlich. Hundert Jahre später im Dreißigjährigen Krieg wurde die Bibliotheca Palatina nach Rom verschleppt. Hier steht sie bis heute.

Die Reformation kam spät nach Heidelberg. Erst 1556 wagte Ottheinrich eine lutherische Glaubensreform, die jedoch nur drei Jahre währte. Dann raffte die Völlerei den 200-Kilo-Mann dahin. Es folgte Friedrich III., Asket, überzeugter Calvinist und radikaler Bilderstürmer. Ludwig VI. kehrte wieder zum Luthertum zurück, ehe Johann Casimir und Friedrich IV. Heidelberg für ein Jahrhundert zur Hochburg des Calvinismus machten. Das Genf des Nordens.

Mit dem Heidelberger Katechismus begann das goldene Zeitalter

Die federleichten Schiffe wirken so luftig, als könnten sie zum Himmel schweben

So verwirrend diese Aufzählung für uns heute klingt, für die Bürger des 16. Jahrhunderts war sie entsetzlich. Das Jüngste Gericht stand den Menschen im Mittelalter sehr konkret vor Augen. Wehe dem, der falsch glaubte. Ihm drohte ewige Verdammnis.

Friedrich III. bemerkte die Unsicherheit seiner Untertanen und erteilte dem Theologen Zacharias Ursinus den Auftrag, einen „Katechismus unserer christlichen Religion“ zu verfassen. Am 19. Januar 1563 lag das schmales Büchlein vor, das sofort an alle Untertanen verteilt wurde. Heute ist der „Heidelberger Katechimus“ in mehr als 40 Sprachen übersetzt und gilt als wichtigste Bekenntnisschrift der reformierten Welt.

Der „Heidelberger Katechismus“ verpackte das reformierte Glaubensbekenntnis in 129 Fragen und Antworten, die selbst eine Bauernfamilie verstehen konnte. Rasch verbreitete sich der Katechismus über die Grenzen der Kurpfalz hinaus. Intellektuelle, reiche Glaubensflüchtlinge strömten in die Neckarstadt. Das goldene Zeitalter war angebrochen.

Im April 1706 verschwand das Licht aus Heiliggeist. 200 Jahre Dunkelheit.

200 Jahre durchschnitt eine Mauer die Heiliggeistkirche

Es endete in einer Katastrophe. 1619 hatte sich Kurfürst Friedrich V. zum König von Böhmen krönen lassen und damit den Dreißigjährigen Krieg entfacht. Er war an Barbarei nicht zu überbieten. Die Kurpfalz lag völlig verheert.

Nur fünfzig Jahre später fielen die Truppen des französischen Sonnenkönigs über Heidelberg her. Die Neckarstadt brannte vollständig nieder. Lediglich zwei Gebäude entgingen dem Inferno: Das „Haus zum Ritter“ am Marktplatz – und die Heiliggeistkirche. Sie verlor lediglich ihren Dachstuhl und trägt seither ein barockes Mansardendach.

Da die katholische Jesuitenkirche bislang nur auf dem Papier existierte, beschloss der Kurfürst Johann Wilhelm im fernen Düsseldorf, Reformierte und Katholiken mögen die Heiliggeistkirche gemeinsam nutzen. Jan Willem ließ eine raumhohe Mauer zwischen Chor und Langhaus aufschichten, die die Konfessionen säuberlich voneinander trennte. Am 16. April 1706 verschwand das Licht aus Heiliggeist. Es sollte erst am 24. Juni 1936 wieder zurückkehren.

Station 3:  Jesuitenkirche und Richard-Hauser-Platz

Auf dem Rückweg durch die Hauptstraße biegen an der dritten Seitenstraße links in die Heugasse ein. Sie führt uns direkt zur Jesuitenkirche. Stolz und elegant dominiert das katholische Gotteshaus sein Altstadtquartier. Die Jesuitenkirche ist ein Produkt der Gegenreformation, geschaffen um den katholischen Glauben in Heidelberg wieder zu installieren. Heute leben in Heidelberg fast ebenso viele Katholiken wie Protestanten.

Die Jesuitenkirche ist wohl das reduzierteste aller barocken Gotteshäuser.

Heidelberg im Jahr 1698. Fünf Jahre war es her, dass die Truppen des französischen Sonnenkönigs die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatten. Nun plante Kurfürst Johann Wilhelm von Düsseldorf aus den Wiederaufbau Heidelbergs im barocken Stil. Eine halbe Armee von Jesuiten wurden dazu an den Neckar entsandt.

Die Patres begannen zur Stund zu bauen. 1711 wurde das weitläufige Jesuitenkolleg eingeweiht, am 19. April 1712 legte man den Grundstein für eine gewaltige Jesuitenkirche. Der Entwurf von Johann Adam Breunig verblüffte: Der Hofbaumeister hatte eine gotische Hallenkirche mit Pfeilern und Emporen gezeichnet. Die Ähnlichkeit mit der Heiliggeistkirche war nicht zu übersehen.

War die Jesuitenkirche womöglich ein Konkurrenzbau zu Heiliggeist?

Der Kurfürst hat das wohl bewusst so angeordnet, meinte Peter Anselm Riedl, der verstorbene Nestor der Heidelberger Kunstgeschichte. Johann Wilhelm, so Riedls Hypothese, wollte die Dominanz der Heiliggeistkirche über die Altstadt brechen, indem er ihr ein ebenbürtiges katholisches Pendant gegenüber stellte.

Die beiden großen Heidelberger Kirchen sehen sich verblüffend ähnlich

Tatsächlich haben beide Kirchen die gleiche Größe und die gleiche Baumasse. Beide sind Hallenkirchen, beide tragen ein barockes Mansardendach, beide haben Maßwerk in den Fenstern. „Ich neige zu der  Annahme“, schrieb Riedl, „dass man mit der Jesuitenkirche eine Art Konkurrenzbau zu Heiliggeist schaffen wollte.“

1722 hätte die Jesuitenkirche eigentlich vollendet sein sollen. Doch sechs Jahre zuvor war überraschend der Kurfürst gestorben. Seinem Nachfolger war Heidelberg zu protestantisch und zu eng. Er übersiedelte nach Mannheim, wo er das zweitgrößte Barockschloss der Welt bauen ließ. Den Chor der Heidelberger Jesuitenkirche dichtete man notdürftig ab. Dann Stille. Dreißig Jahre lang.

Erst im Spätjahr 1759 ließ sich wieder ein Kurfürst in Heidelberg blicken. Karl Theodor gab der Jesuitenkirche ihre imposante italienische Fassade, die von gewaltigen Statuen bekrönt wird. Beim Innenleben der neuen Kirche jedoch sparte der Kurfürst drastisch. Die Seitenemporen wurden gestrichen. Bis heute stehen die Pfeiler funktionslos. Wahrscheinlich ist die Jesuitenkirche das reduzierteste barocke Gotteshaus, das je gebaut wurde. Was sie sensationell modern macht.

Die imposante italienische Fassade schmücken lebensgroße Statuen

Von Stunde zu Stunde, von Monat zu Monat verändert sich der Lichteinfall

So hell wie heute war die Kirche freilich nicht immer. 1872 verpasste man der Jesuitenkirche bunte Glasfenster und eine ausgemalte Decke. Das monumentale Gemälde über dem Hochaltar ist ein Relikt des Historismus. Der Glockenturm stammt ebenfalls aus dem Jahr 1872.

Seit 2004 ist die Jesuitenkirche wieder weiß gekalkt wie einst im Barock. Durch die Klarglasfenster flutet das Licht ungehindert ins Kirchenschiff, das nach Süden ausgerichtet ist. Von Stunde zu Stunde, von Monat zu Monat verändert sich der Lichteinfall.

Die spektakuläre Orgel besitzt einen futuristischen Schleier aus Metall.

Spektakulär sind die beiden neuen Orgeln der Schweizer Firma Kuhn. Das gewaltige Instrument auf der Rückempore besitzt 3829 Pfeifen, 57 Register – und einen futuristischen Schleier aus Metall. Die kleine Chororgel im rechten Seitenschiff orientiert sich optisch an den Kapitellen der Pfeiler. Musikalisch ist sie eine Hommage an den Orgelbau des Barock.

Es gibt auch einen katholischen Beitrag zum Reformationsjubiläum

Der Richard-Hauser-Platz vor der Jesuitenkirche ist das katholische Herz der Heidelberger Altstadt. Der Jesuitenkirche umrahmt ihm im Süden, das Jesuitenkolleg im Westen und das frisch renovierte „Haus der Begegnung im Norden.

Die Verbindung zwischen dem Hauser-Platz und dem Uniplatz übernimmt ein modernes Kunstwerk an der Fassades des Hauses der Begegnung. Sein Titel: „teilen macht ganz“.

„teilen macht ganz“: Die Kunst am Haus der Begegnung erinnert an Sankt Martin

Das ist der katholische Beitrag zum Reformationsjubiläum. Der heilige Martin nämlich hat nicht nur seinen Mantel mit dem Bettler geteilt, er war auch Luthers Namenspatron. Der Reformator wurde am 10. November 1483 in Eisleben geboren und ist am 11. November 1483 getauft worden. Nach alter Sitte auf den Namen des Tagesheiligen.

Station 4: Die Peterskirche

Die letzte Station unseres Altstadt-Spaziergangs auf den Spuren Martin Luthers führt uns quer über den Universitätsplatz und ein Stückchen den Berg hinauf. Rechts glänzt in historistischem Prunk die Universitätsbibliothek, 1905 eröffnet. Vor uns steht das älteste Gotteshaus der Altstadt: Der protestantischen Peterskirche. In ihrem Park wächst Heidelbergs einzige Luthereiche. Wer möchte, darf sie suchen. Es ist nicht ganz einfach.

Dass Luther die Peterskirche und den Friedhof, der   sie zu seiner Zeit umgab, besucht hat, ist sehr wahrscheinlich. Schließlich hat er direkt gegenüber gewohnt.

Die evangelische Peterskirche ist das älteste Gotteshaus der Stadt.

Die Peterskirche ist älter als die Stadt Heidelberg selbst. Schon 1196 wird in einer Urkunde eine Kirche namens St. Peter am Ufer des Klingenbachs erwähnt, in der ein „Cunradus plebanus“ wirkte, ein „Leutpriester namens Konrad“. Die Heidelberger Altstadt wurde erst zwanzig Jahre später gebaut. Als Planstadt. Die Herzöge von Bayern ließen sie von der Grabengasse bis zum Karlstor in einem Guss aus dem Boden stampfen.

Wie durch ein Wunder entgingen die Renaissance-Grabmale der Zerstörung

Was auch seine Vorteile hatte. Als die Truppen Ludwigs XIV. die Heidelberger Altstadt vollständig niederbrannten, kam die Peterskirche vergleichsweise glimpflich davon. Nur Turm und Langhaus fielen, der Chor konnte gerettet werden. Wie durch ein Wunder entgingen auch die Spätrenaissance-Grabmale des Friedhofs der Zerstörung. 90 kostbare Epitaphien schmücken heute den neugotischen Innenraum. Irgendwo in der Peterskirche, sagt man, liege auch Marsilius von Inghen, der erste Rektor der Universität begraben. Niemand weiß wo.

90 kostbare Grabmale schmücken den Innenraum der Peterskirche

Als 1844 der neuen Bergfriedhof eingeweiht war, sollte die Peterskirche eigentlich abgebrochen werden. Doch die Eisenbahn hat sie gerettet. Die einzige Möglichkeit, die Neckarstrecke von Mannheim nach Heilbronn zu vollenden, führte mitten durch den ehemaligen Friedhof der Peterskirche. Die Odenwaldbahn zahlte Heidelbergs Protestanten eine stattliche Summe für das Areal. Weshalb die Peterskirche heute wie versunken wirkt.

510 Jahre nach ihrer Gründung erhielt die Universität eine eigene Kirche

Mit dem Geldsegen hätte die Kirche jetzt eigentlich renoviert werden können. Doch wer brauchte die Peterskirche eigentlich noch?

Das Freiburger Münster stand Pate bei der „Neuschöpfung“

Die Antwort gab die Universität. Man wünsche sich schon lange ein eigenes Gotteshaus, ließ die Ruperto Carola wissen. Als Ort der Begegnung von Gebet und Wissenschaft, von Kunst und Musik. Und schließlich liege ja auch Marsilius von Inghen, der Gründungsrektor, irgendwo in der Peterskirche begraben. Wenn auch niemand wisse, wo. 1896, im 510. Jahr ihres Bestehens, begann die älteste Universität Deutschlands erstmals ein Semester mit einem Gottesdienst in ihrer eigenen Kirche.

Die Peterskirche war nicht wiederzuerkennen. Der Badische Oberbaurat Ludwig Franck-Marperger hatte den schlichten Predigersaal als dreischiffige neugotische Hallenkirche „neugeschöpft“. Man betritt die Peterskirche jetzt durch einen „Säulenwald“ aus rotem Sandstein, der eine enorme Empore trägt. Die gesamte Kirche war innen wie außen überreich dekoriert . Für den neuen Turm ließ sich Architekt Franck-Marperger vom Freiburger Münster inspirieren.

1963 hatte man genug vom Zuckerbäckerwerk. Man stülpte dem Turm kurzerhand eine Kupferkappe über und weißelte den Innenraum. Jetzt strahlt er hell und warm. Manchmal zur Mittagszeit, wenn die Sonne direkt auf das große Südfenster scheint und  goldgelbes Licht die uralte Kirche flutet, scheint die Atmosphäre geradezu aufgeladen von Magie.

Der theologischen Schlacht folgten zwei launige Abende auf dem Schloss

Man betritt die Peterskirche durch einen „Säulenwald“ aus rotem Sandstein.

Was an den Fenstern von Johannes Schreiter liegt. Der bedeutendste deutsche Glaskünstler hat für die Peterskirche einen wunderbaren Zyklus von neun Fenstern in „golddurchwirktem Siena“ geschaffen. Heidelberg, eine Stadt des Südens.

Anno 1518 stieg Martin Luther nach geschlagener theologischer Schlacht hinauf zum Schloß, um den Pfalzgrafen Wolfgang zu besuchen. Man kannte sich. Wolfgang, ein jüngerer Bruder von Kurfürst Ludwig V., hatte in Wittenberg als Rektor die Universität geleitet. Es müssen zwei launige Abende gewesen sein, die der Reformator im Heidelberger Schloss verbracht hat. Er notierte jedenfalls zufrieden, dass er, „der zu Fuß ausgezogen“ war, „zu Wagen“ nach Wittenberg zurückgekehrt sei. Drei Monate später eröffnete Rom das Anklageverfahren gegen den Augustinermönch Martin Luther wegen Ketzerei.

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