Untergrombach: Ein Urort der Frömmigkeit

Schon vor 6000 Jahren wurde
auf dem Michaelsberg gebetet.

Es waren nur zwei kleine Scherben. Graubraun und bröckelig. Jeder andere hätte sie achtlos zur Seite gekickt. Doch Oberst von Cohausen hatte ein Faible für Archäologie. Also steckte er die Scherben ein. Nicht ahnend, dass er an diesem Nachmittag im Oktober 1884 eine Sensation entdeckt hatte.

Denn die Scherben auf dem Michaelsberg bei Bruchsal stammten von einem Trinkgefäß aus der Jungsteinzeit und waren etwa 6000 Jahre alt. Der Michaelsberg zählt damit zu den ältesten Siedlungsgebieten Deutschlands. Ein Urort. Dessen spirituelle Ausstrahlung Menschen zu allen Zeiten angezogen hat.

Der Michaelsberg zählt zu den ältesten Siedlungsgebieten Deutschlands. Ein Urort.

Die Bischöfe von Speyer ließen
das Wallfahrtskirchlein bauen
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Berge machen demütig. Weil sie hoch sind und alt. Unberechenbar und weise. Das gilt auch für den Michaelsberg, obwohl er gerade mal 270 Meter misst. Im Kraichgau reicht das, um als weithin sichtbare Landmarke den Westrand des Hügellandes zu bezeichnen. Steht man oben, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen. Welch ein Blick!

Dort die wilde Einsamkeit des Pfälzer Waldes, da die dunklen Höhen des Schwarzwaldes und im Norden die archaischen Felsen des Odenwaldes. Kein Wunder, dass hier schon Menschen gebetet haben, lange bevor das Rad erfunden wurde.

Im 7. Jahrhundert wurde der Berg „getauft“. Von Wandermönchen, die ein Holzkapellchen errichteten. Exakt dort, wo einst die Steinzeitmenschen gesiedelt. Die Missionare stellten den Berg und das Kirchlein unter den Schutz des mächtigen Erzengels Michael. Ihm hatte Gott einst die heikle Aufgabe übertragen, den Erzengel Luzifer aus dem Himmel zu werfen. Weil Luzifer gesagt hatte, es sei eine große Dummheit von Gott, Menschen zu erschaffen. Der Kampf zwischen den beiden Erzengeln soll gnadenlos gewesen sein.

Der Erzengel Michael stürzt
Luzifer hinab in die Hölle
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Im Barock zogen die Pilger in Strömen hinauf zum Wallfahrtskirchlein.

Das 18. Jahrhundert machte den Michaelsberg berühmt. Die Bischöfe von Speyer nämlich hatten sich mit ihrer reformierten Bischofsstadt überworfen und Speyer den Rücken gekehrt. 1720 übersiedelten sie nach Bruchsal, wo sich die Exzellenzen ein phantastisches Barockschloss bauen ließen. Den Michaelsberg krönte nun ein zauberhaftes barockes Wallfahrtskirchlein mit vorwitzig geschwungenem Turm, wodurch er zum beliebten Ziel avancierte. In Strömen zogen die Pilger den Berg hinauf.

Bis Napoleon der Religion ein Ende setzte. 1803 wurde das Bistum Speyer aufgelöst und die Kapelle auf dem Michaelsberg versteigert. Man nutzte sie erst als Schmiede, dann als Bäckerei, Scheune und Schweinestall. Wahrscheinlich wäre von dem Kirchlein kein Stein mehr übrig, wenn nicht 1838 Ignatius Kling als katholischer Pfarrer nach Bruchsal-Untergrombach gekommen wäre. Zwanzig Jahre lang sammelte Kling unermüdlich Spenden. Trefflich unterstützt von Markgräfin Amalie von Baden, die Mutter des Großherzogs, die im Bruchsaler Schloss residierte. 1857 konnten die Katholiken die Michaelskapelle endlich zurückkaufen.

Der „Tulpenbecher“
aus der Jungsteinzeit
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Die „Michelsberger Kultur“ reichte von Paris bis Sachsen. 4000 vor Christus.

Von barocken Innenleben freilich war nichts mehr übrig. Die heutigen Prinzipalien sind zwar Originale aus dem Rokoko. Sie stammen aber aus der alten Pauluskirche in Bruchsal. Die übrige Ausstattung ist historistisch. Sie entstand um 1907. Auch das monumentale Deckengemälde ist neubarock. Es zeigt den Sturz des einstigen Erzengels Luzifer hinab in die Flammen der Hölle.

Direkt vor der Michaelskapelle steht neuerdings eine moderne Stele. Man könnte sie für eine Vase halten, aber es ist ein Becher. Genauer gesagt: Es ist die 3-D-Kopie jenes Trinkgefäßes aus der Steinzeit, das der Oberst entdeckt hat. Die Wissenschaft nennt es seiner Form wegen den „Tulpenbecher“. Der Fund hat einer ganzen Epoche den Namen gegeben: Die „Michelsberger Kultur“ reichte von Paris bis Sachsen.

Kirchenfakten
Name: Michaelskapelle
Adresse: Michaelsbergstraße, 76646 Bruchsal-Untergrombach
Konfession: katholisch
Baujahr: 1742
Baustil: Barock
Kunstschätze:
-Barocker Kreuzaltar mit Tabernakel von 1792 von Tobias Günther
– Barocke Kanzel
– Barocke Statue der Immakulata von 1755 im rechten Seitenaltar
– „Heiliges Grab“ Christi im rechten Seitenaltar
– Miniaturen der „Vierzehn Nothelfer“
– „Ölberg“ an der nördlichen Außenwand der Kapelle
– Historistische Deckengemälde in barocker Manier: St. Michael, die Stärke Gottes, St. Raphael, St. Petrus, St. Vitus
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: Katholische Kirchengemeinde Bruchsal Michaelsberg, Schulstraße 2, 76646 Bruchsal-Untergrombach
Telefon: 07257 – 925827
E-Mail: GSchaefer@kath-bruchsal-michaelsberg.de
Internet: www.kath-bruchsal-michaelsberg.de

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