Die Kirche von Malsch starb am 23. Juni 1972 um 5 Uhr morgens. In einem flammenden Inferno. Viele Meter hoch loderte die Feuersbrunst zum Himmel empor, kräftig angefacht von einem orkanartigen Sommersturm. Hilflos mussten die Feuerwehren der Region mitansehen, wie der Dachstuhl mit Getöse ins Kirchenschiff stürzte. Er begrub unter sich eine der prachtvollsten Barockkirchen der Region.
Kein Stück von St. Juliana konnte gerettet werden. Nur die kleine romanische Kapelle im Alten Turm hat wie durch ein Wunder überlebt. Fünfzig Jahre ist das her. Längst leuchtet St. Juliana wieder. Als eine gelungene Melange aus Neubarock und Barock. Die Geschichte einer Auferstehung.
Malsch gehörte 500 Jahre zum Bistum Speyer. Die Reformation hat es hier nie gegeben.
Der Kraichgau hat das Zeug zum Paradies. Das Hügelland aus Löß gehört zu den fruchtbarsten Gegenden Europas. Entsprechend groß war von jeher das Interesse an diesem Garten Eden. Im Mittelalter reihte sich hier Burg an Burg. Jeder Freiherr nannte zwei oder drei Dörfer sein eigen, nur die Pfälzer Kurfürsten und die Fürstbischöfe von Speyer besaßen größere Ländereien. Malsch kam 1302 zum Bistum Speyer, in dessen Besitz es 500 Jahre lang blieb. Die Reformation hat das Weindorf nie erreicht.
Sankt Juliana ist ein uraltes Patrozinium. Im frühen Mittelalter war die Heilige ungeheuer populär. Weil es ihr gelungen ist, den Teufel zu überwältigen, in Ketten zu legen und spazieren zu führen wie ein Hündchen. Wer so viel Mut hat, den nimmt man gern als Schutzpatronin für seine Kirche. Mönche aus Mosbach haben vermutlich das erste Wehrkirchlein in Malsch errichtet. Im alten Turm kann man noch Schießscharten erkennen.
Die barocke Kirche muss ein Schmuckstück gewesen sein: Ein herrlicher Hochaltar, vier Seitenaltäre, nur handgeschnitzte Figuren.
Einfach zauberhaft ist die romanische Marienkapelle mit ihrem frühgotischen Kreuzrippengewölbe im Erdgeschoss des Turms. Die Kapelle war der Altarraum der ersten Kirche von Malsch. Die alte Stadtmauer, die früher den Kirchhügel schützte, haben die Truppen des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. 1693 niedergebrannt. Ebenso wie die meisten Häuser im Dorf. Obwohl Malsch nie zur Kurpfalz gehört hat, lag es nach dem Erbfolgekrieg in Schutt und Asche.
Dem Speyrer Fürstbischof war die Zerstörung gar nicht so unrecht. Er hielt die Gotik sowieso für altmodisch und ließ 1771 eine “moderne“ Barockkirche in Malsch erbauen. Sie muss ein Schmuckstück gewesen sein. Mit herrlichem Hochaltar, mindestens vier Seitenaltäre und großen, handgeschnitzten Statuen der 14 Nothelfer. All diese Schönheit starb 1972 in den Flammen. Nur die Figuren der Heiligen Ignatius und heiligen Franz Xaver existieren noch. Sie waren beim Restaurator, als die Kirche Feuer fing.
Nur zwei Jahre nach dem Brand stand auf dem Kirchenhügel wieder ein Gotteshaus. Im Stil des Neubarock.
Schon zwei Jahre nach dem Brand stand auf dem Malscher Kirchenhügel wieder ein Gotteshaus. Hochaufgerichtet, stolz, hell. Mit barocken Formen, aber aus Materialien der Neuzeit. Doch öffnet man die Tür, glaubt man seinen Augen nicht zu trauen: Barocke Originale, wohin man auch sieht! Der Hochaltar, die Seitenaltäre, die phantastische Kanzel. Ja sogar die Brüstung der Empore und das Orgelgehäuse stammen aus dem 18. Jahrhundert. Wie ist das möglich?
Statt der heiligen Juliana sieht man jetzt Sankt Martin.
Die Antwort findet man zehn Kilometer weiter Zeutern. 1972, als St. Juliana brannte, hatten sich die Katholiken von Zeutern gerade ein modernes Gotteshaus aus Beton gebaut. Das barocke Inventar des alten Kirchleins brauchten sie nicht mehr. Malsch griff sofort zu. Und tatsächlich passte die Altäre aus Zeutern perfekt in die neubarocke St. Juliana-Kirche. Ein Wunder. Das nur einen winzigen Wermutstropfen hat: Die Kirche in Zeutern ist dem heiligen Martin geweiht. Sein Bild ziert jetzt weithin sichtbar den Hochaltar von St. Juliana.
Kirchenfakten |
Name: St. Juliana Adresse: Kirchberg 7, 69254 Malsch Konfession: katholisch Baujahr: Um 1200 / 1771 / 1974 Baustil: Neobarock Kunstschätze: – romanische Kapelle mit frühgotischem Gewölbe und Kapitellen – Figur des Heiligen Martin am Hochaltar vom Bruchsaler Hofbildhauser Joachim Günter (um 1770) – Prächtige Barockkanzel aus dem ehemaligen Heidelberger Franziskanerkloster – Kreuzwegstationen aus der Schönau/Schwarzwald – frühbarocke Muttergottes mit Kind – neobarocke Dekorationsmalerei – Weise-Orgel, umgebaut von Karl Göckel – Moderne Figurengruppe von Franz Müller-Steinfurth auf dem Kirchplatz – modernes Fenster von Valentin Feuerstein „Jesus in der Kelter“ Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet Kontakt: Pfarrbüro Malsch, Kirchberg 7, 69254 Malsch Telefon: 07253-22316 E-Mail: Pfarramt.Malsch@kath-letzenberg.de Internet: www.kath-letzenberg.de |