
Der 15. Juli 2017 war ein angenehmer Sommersamstag, mitten zwischen zwei Hitzeperioden. Die Temperatur pendelte sich bei 23 Grad ein, am Himmel grasten Schäfchen. Vom Heidelberger Hauptbahnhof nahmen wir den Regionalexpress durch das Neckartal Richtung Heilbronn. In „Mosbach-Neckarelz“ stiegen wir um in die S41. Nach insgesamt knapp 50 Minuten erreichten wir den Bahnhof Mosbach.
Mosbach ist die größte Stadt im Neckar-Odenwald-Kreis. Sie zählt etwa 23.000 Einwohner und gilt als Mittelzentrum für die umliegenden Gemeinden. Besonders stolz sind die Mosbacher auf ihre Duale Hochschule. 3000 junge Leute studieren hier Fächer wie Elektrotechnik, Betriebswirtschaftlehre und Wirtschaftsinformatik. Die Mosbacher Absolventen sind in der Industrie gefragt. Und: Sie bringen Leben ins Städtchen an der Elz.

Fachwerk reiht sich an Fachwerk. Ein Haus schöner als das andere.
Das Mosbacher Stadtbild ist trotz moderner Einsprengsel – und Bausünden – mittelalterlich geblieben. Gott sei Dank. Wir folgten der Kesslergasse und der Hauptstraße bis zum historischen Marktplatz. Hier schlägt seit Jahrhunderten das Herz von Mosbach. Kein Krieg hat diese Stadt je zerstört. Fachwerk reiht sich an Fachwerk. Ein Haus schöner als das andere.
Der Markt ist zauberhaft. Man sitzt unter Bäumen, lauscht dem Plätschern des Brunnens und lässt den Blick schweifen. Wir hatten Glück, dass wir an einem Samstag unterwegs waren. Da war das Marktleben in vollem Gange. Die Bauern der Region präsentierten appetitlich ihre Produkte, und die Mosbacher packten ihre Körbe kunterbunt voll.

Den idyllischen Marktplatz gibt allerdings es erst seit rund 200 Jahren. Davor lebte man in Mosbach viel beengter. Jeder Zentimeter war kostbar, die Fachwerkhäuser vier oder fünf Stockwerke hoch. Wo noch ein handtuchschmaler Streifen frei war, wurde sofort nachverdichtet. Noch heute steht das Fachwerk versetzt, verdreht, ineinander verschachtelt.
Benediktinermönche haben das erste Kloster errichtet. Mittendrin im dichten Gehölz.
Im Hochmittelalter war Mosbach eine selbständige Reichsstadt. An der stark frequentierten Handelsstraße vom Kraichgau nach Würzburg. Eine „feine, wohlgebaute kurpfälzische Stadt“, lobte Matthäus Merian anno 1645.

Sein Kupferstich zeigt zwei Stadtmauern. Ein Privileg, das nur wichtigen Städten zustand. Das prächtigste aller Häuser ist das „Palmsche Haus“ von 1610. Es steht direkt neben der Stiftskirche.
Die stattliche Basilika markiert die Keimzelle der Stadt: Ein Kloster, genannt „mosabach“. Benediktinermönche haben es errichtet. 824. Mit einem Fließgewässer hatte der Name jedoch nichts zu tun. Mosabach leitet sich ab vom mittelhochdeutschen „-buoch“ für „Buchenwald“. Ein Klösterchen mittendrin im dichten Gehölz. Kein Wunder, dass es nicht besonders gut gedieht.
Das Renaissance-Rathaus sieht aus wie eine Kirche – mit Turm und Glocke

1016 wandelte der Bischof von Worms das Mosbacher Kloster um in ein Priesterstift. Die Stiftsherren waren meist jüngere Söhne aus Adelsfamilien, denen kein Erbe zustand. Weshalb sie auch nicht heiraten konnten. Im Gegensatz zu Mönchen besaßen Stiftsherren privates Eigentum und lebten in eigenen Häuschen rund um die Kirche. 1214 war Mosbach schon eine ansehnliche Siedlung. 1290 erhielt sie das Stadtrecht. „Oppidum Mosbach“.
Für Mosbachs Bürger war das ein Signal, mehr Selbständigkeit zu wagen. Sie bauten sich eine eigene „Leutkirche“: St. Cäcilia. Man kann sich die Größe dieses gotischen Gotteshauses ungefähr vorstellen, wenn man das schöne Renaissance-Rathaus betrachtet. Es wächst auf den Grundmauern von St. Cäcilia empor. 1556, als in der Kurpfalz die Reformation eingeführt wurde, befahl Kurfürst Ottheinrich, die katholische Kirche abzureißen und an ihrer Stelle das Rathaus zu bauen. Mosbach gehorchte.
Doch als das „Rathaus“ fertig war, hatte man ziemliche Mühe, es als solches zu erkennen. Höchst ungewöhnlicherweise besitzt es nämlich einen Kirchturm, in dem sogar Glocken hängen.

Die älteste stammt von 1458 und läutet jeden Abend um 22.45 Uhr. Der Volksmund nennt sie „das Lumpeglöckel“. Weil es auch den letzten Zecher mahne, nach Hause zu gehen. In Wahrheit erinnert das Geläut aber an die Rettung der Pfalzgräfin Johanna, die sich einst im Wald verirrt hatte. Pfalzgraf Otto ließ stundenlang die Kirchenglocke läuten, wodurch Johanna wieder nach Hause fand.
Ab 1410 glänzte Mosbach. Dank Pfalzgraf Otto und seiner Johanna.
Mit Otto und Johanna sind wir bei der glanzvollsten Epoche Mosbachs angelangt. Sie begann 1410, als der Pfälzer Kurfürst Ruprecht III. starb. Er hinterließ vier Söhne. Ludwig III. erbte Heidelberg und die Kurfürstenwürde, seine drei Brüder erhielten je eine Grafschaft. Otto, der jüngste Sohn, bekam Mosbach und Eberbach.

Womit er außerordentlich zufrieden war. Schließlich war Otto nicht wie seine Brüder in Heidelberg geboren worden, sondern in Mosbach. Im August 1390. Wahrscheinlich war der Kurfürst damals mit seiner Familie an die Elz geflohen, weil im engen Heidelberg wieder einmal die Pest grasierte. Jetzt, zwanzig Jahre später, „taufte“ Pfalzgraf Otto sein neues Reich. Er nannte es: „Die Neckarpfalz“.
Viel Zeit konnte Otto allerdings nicht in Mosbach verbringen. Da er der klügste Sohn Ruprechts war, avancierte er rasch zum Ratgeber seines Bruders, des Kurfürsten. Oft blieb er wochenlang in Heidelberg. Nach Ludwigs frühem Tod übernahm Otto sogar die Vormundschaft für seinen Neffen, den Thronerben Ludwig IV.

Mosbach ging trotzdem nicht leer aus. Im Gegenteil. Otto baute gewaltig. Erst ein Schloss mit Park. Dann eine standesgemäße Grablege für seine Dynastie. Die alte Stiftskirche St. Juliana war dafür viel zu klein, befand Otto. Womit er wohl Recht hatte.
Wie St. Juliana ursprünglich ausgestattet war, weiß niemand. Der Calvinismus hat alles zerstört.
Die ursprüngliche Sankt-Juliana-Kirche nämlich stammte aus dem Jahr 1386, als noch niemand etwas von Ottos Neckarpfalz ahnten. Sie war eine schlichte Landkirche, wie es sich für ein schlichtes Landstädtchen gehörte. Immerhin besaß das gotische Kirchlein ein ansehnliches Gewölbe und schlanke Maßwerkfenster. Aber nur ein Schiff. Wie St. Juliana ursprünglich ausgestattet war, weiß niemand.
Das gesamte gotische Innenleben fiel im 16. Jahrhundert der calvinistischen Säuberung zum Opfer. Der barocke Hochaltar und die Kanzel, die heute die Kirche schmücken, sind hochwertige Schnitzarbeiten von 1732. Sie stammen auf dem aufgelösten Franziskanerkloster, das heute als Amtsgericht fungiert. Die Kommunionsbank aus Sandstein stand früher im ehemals katholischen Chor der Heidelberger Heiliggeistkirche. Die beiden Seitenschiffe sind Attrappen aus dem Jahr 1953.

Hinreißend schön: Die barocken Putten und Engel, die St. Juliana durchflattern. Manche Besucher halten sie für die hübschesten Engel in ganz Baden. Große Kunst ist auch die Grabplatte der Pfalzgräfin Johanna. Das Relief der früh Verstorbenen wurde 1444 erst in Bronze gegossen, dann in den Stein eingefügt. Johannas Grab hat man nie gefunden. Nur diese Platte.
Fünfzig Jahre später erhob sich über dem Markt die neue Stiftskirche. Ottos Traum.
Der Turm von St. Juliana jedoch gibt Rätsel auf. Er reicht stolze 52 Meter in die Höhe. Viel zu aufwändig für eine kleine Landkirche! Doch es kommt noch spannender: Der Grundriss von St. Juliana nämlich zeigt, dass ursprünglich sogar noch ein zweiter Turm geplant war. Zwei Türme hatten zu dieser Zeit aber nur Bischofskirchen. Was ging da vor in Mosbach? Die Antwort kennt niemand.

Ottos Ansprüchen genügte Sankt Juliana keine Sekunde. Viel zu klein! Kurzerhand ließ der Pfalzgraf die Westwand einreißen und ein prachtvolles, gotisches Langhaus anbauen. Fünfzig Jahre später trugen die schlanken Pfeiler der neuen Stiftskirche mit ihren spitzen Bögen drei hohe Schiffe. Ottos Traum.
An den Wänden strahlten großrahmige Fresken. In den Seitenschiffen reihte sich Altar an Altar. Goldene Kelche glitzerten neben silbernen Leuchtern. Die filigrane Kanzel aus Sandstein ziert noch heute das Kurpfälzische Wappen, das Schweißtuch der Veronika und die Jahreszahl 1468. Nur das Deckengewölbe gab es damals noch nicht. Es ist neugotisch und stammt aus dem Jahr 1891.
Dass der mittelalterliche Lettner noch existiert, ist eine Sensation.
Ein raumhoher Triumphbogen verband das neue Langhaus mit dem alten Chor. Davor stand ein großer steinerner Lettner, unter dem man wie in einer Halle wandeln konnte. Im Mittelalter war der Altarraum ausschließlich Priestern vorbehalten. Der Lettner grenzte ihn hermetisch ab vom Kirchenschiff, wo sich die Gemeinde versammelte. Stehend. Nur dem Klerus und dem Adel war es gestattet, während des Gottesdienstes zu sitzen.

Dass dieser gotische Lettner heute noch existiert, ist eine Sensation. Die meisten anderen hat man schon vor Jahrhunderten abgebrochen. Der Mosbacher Lettner trägt heute die evangelische Orgel. Um für den Spieltisch Platz zu schaffen, musste die Brüstung ein wenig nach vorne gezogen werden.
Nach Ottos Tod fiel Mosbach zurück an die Kurpfalz. Damit war das Schicksal der Stiftskirche besiegelt.
Der tüchtige Pfalzgraf Otto hat in seinem Gotteshaus nicht mehr gebetet. Er starb 1461, sieben Jahre vor der Weihe der neuen Stiftskirche. Aus seiner großen Dynastie wurde auch nichts. Der erstgeborene Sohn Otto II. war der Mathematik mehr zugetan als dem anderen Geschlecht. Er starb kinderlos. Seine drei Brüder waren längst zu Bischöfen geweiht.
1499 fiel Mosbach zurück an die Kurpfalz. Damit war das Schicksal der Stiftskirche besiegelt. 1556 wurde sie lutherisch, 1563 calvinistisch. Die kostbare Einrichtung wanderte auf den Scheiterhaufen. In der Stiftskirche stand nur mehr ein schlichter Holztisch. Kein Kerzenleuchter, keine Altardecke, kein Kelch hat überlebt.

Die herrlichen Fresken an den Langhauswänden verschwanden unter Putz. Erst 1959 hat man sie durch Zufall wiederentdeckt. In schlimmem Zustand. Ebenso wie die 35 mittelalterliche Grabsteine, die die Calvinisten als Fußboden benutzt hatten. Heute zieren die schönen Epitaphien wieder die Wände der Stiftskirche.
1708 befahlt der Kurfürst den Bau einer raumhohen Scheidemauer. Dunkelheit. Dreihundert Jahre lang.
Womit wir im Jahr 1689 wären. Die protestantische Linie der Pfälzer Kurfürsten war ausgestorben. Der neue Landesherr Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg residierte in Düsseldorf und glaubte streng katholisch. Was die Kurpfalz ab sofort auch wieder tun sollte. Heerscharen von Mönchen und Priestern wurden an die Elz geschickt, um Mosbachs Protestanten zum rechten Glauben zurückzuführen. Doch das war kein leichtes Unterfangen.

Tumultartige Szenen begleiteten die katholischen Messen, die ab 1688 wieder in der oberen Stube des Rathauses gefeiert wurde. Der protestantische Protest steigerte sich zum Aufruhr, als der Kurfürst 1697 vorschrieb, dass auch die Evangelischen niederzuknien hätten, wenn die Monstranz vorüber getragen wird. Was plötzlich extrem häufig passierte.
Am 29. Oktober 1698 dann der finale Schlag: In einem „Simultanedikt“ ordnete „Jan Willem“ an, dass die Reformierten und die Katholiken die Stiftskirche gemeinsam nutzen sollten. Die Reformierten tobten. Man stritt über den Standort des Beichtstuhls, über die Altäre, die Gottesdienstzeiten, ja sogar über die Benutzung der Glocke. Keine Andacht, nirgends.
1708 befahl der Kurfürst daher den Bau einer raumhohen Scheidemauer. Zu „beiderseitigem Vergnügen“. Dunkelheit. Stille. Dreihundert Jahre lang.
Die Mosbacher Stiftskirche wird ihre Mauer behalten. Mit einer Ökumene-Tür in der Mitte.

130 solcher „Simultankirchen“ gab es einst in der Kurpfalz. Heute ist die Mosbacher Stiftskirche eine der letzten ihrer Art. Sie wird ihre Mauer behalten. Als ein Stück Geschichte zum Anfassen. Mit einem Schlupfloch in die Zukunft.
Am 27. Juli 2008 nämlich wurde eine „Ökumene-Tür“ in der Scheidemauer eingebrochen. Nach 300 langen Jahren kann man jetzt endlich wieder vom katholischen Chor ins evangelische Langhaus gelangen. So man einen Schlüssel hat. Wie er zu bekommen ist, muss man erfragen. Für uns war er im Schuhgeschäft am Markt deponiert.
Die Stiftskirche ist heute die evangelische Hauptkirche Mosbachs. Den Katholiken hingegen ist St. Juliana längst zu klein geworden. Die ehemalige Chorkirche dient nur noch als Filiale, in der gern Hochzeiten und Taufen gefeiert werden. Das katholische Leben spielt sich seit 1935 auf halber Höhe am Hardberg ab. Wo ganz früher die Mosbacher Burg stand, lädt jetzt eine neue Sankt- Cäcilia-Kirche zum Gebet.

Am wilden Kandelbach saß im Mittelalter ganz Mosbach im Bottich.
Wir folgten der Schlossgasse und der Heugasse, durch die der muntere Kandelbach plätschert, bis zum wilden Kandelschuss-Brunnen. Er speist sich gleich aus zwei Quellen und war im Mittelalter der Badeplatz der Stadt. Männlein und Weiblein nahmen ungeniert gemeinsam in großen Bottichen Platz, um sich vom Bader abschrubben zu lassen.
Wir zogen es vor, die Treppe hinauf zu steigen bis zur Pfalzgraf-Otto-Straße. Rechter Hand sieht man schon von Weitem eine trutzige Kirchenburg, die mit massigen Sandsteinquadern verkleidet ist: St. Cäcilia.
Die katholische Hauptkirche von Mosbach ist „Neue Sachlichkeit“ in Reinform.
Die katholische Hauptkirche von Mosbach taugt für romantische Gemüter wenig. Wohl aber für Architekturfans. St. Cäcilia ist „Neue Sachlichkeit“ in Reinform. Unsaniert und unverfälscht. Nur leider nicht so, wie sich Architekt Hans Herkommer 1929 seine Kirche erträumt hatte.

Herkommer wollte eigentlich einen expressiv-avantgardistischen Ozeandampfer bauen. Eine Kirche mit fünf Schiffen, hoch wie eine Bahnhofshalle, die majestätisch über die Stadt hinweg segeln sollte. Ein futuristischer Eyecatcher, ein architektonischer Meilenstein, der heute Besucher in Scharen an Elz locken würde. So er denn gebaut worden wäre.
Doch der Architekt hat die Rechnung ohne den Freiburger Erzbischof gemacht. Conrad Gröber, dem Geist des Jahres 1933 offenbar nicht abgeneigt, befand der Entwurf widerstrebe „dem gesunden religiösen Empfinden der katholischen Volksseele“. Hans Herkommer „glättete“ daraufhin seinen Entwurf und baute ein konventionelles Gotteshaus aus Sandstein mit Satteldächern, wuchtigem Chorturm und romanischen Fenstern. Jammerschade.
Ein gewaltiger Christus aus Bronze dominiert das Kirchenschiff. 3,40 Meter hoch.

Im Innenraum von St. Cäcilia wagte der Architekt ein wenig mehr Innovation. Hans Herkommer verzichtete komplett auf Pfeiler und zog stattdessen zwei massive Holzträger ein. 29 Meter lang. Sie lenken den Blick wie durch einen magischen Tunnel zum Chor, den ein gewaltiger Christus aus Bronze dominiert. 3,40 Meter hoch. Der riesige Heiland segnet, umflort von Tageslicht, das durch ein Dachfenster hereinfällt, die Eintretenden. Der Bildhauer Emil Sutor hat die dreiteilige Kreuzigungsgruppe geschaffen.
St. Cäcilia ist bis heute weitgehend im Urzustand erhalten. Man fühlt sich wie auf einer Zeitreise in die 1940er-Jahre. Überall entdeckt man Motive aus dem Jugendstil. Ausgefallene Leuchter aus Bronze hier, hauchzarte Wandmalereien da. Einen plastischen Kreuzweg, der berührt.

So wie auch die Eingangsworte, die auf einem Stahlträger über der Tür leuchten. Sie sind dem Psalm 122 entnommen, einem Wallfahrtslied Davids: „Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus Gottes wallen wir.“ Wir interpretierten das als speziellen Gruß allein für uns und wurden mutiger.
Eine geheimnisvolle Treppe führt hinab in die Krypta.
Im rechten Seitenschiff versteckt, entdeckten wir eine geheimnisvolle kleine Treppe. Sie führt hinunter zu einer Krypta, in der wir völlig überraschend auf eine Skulptur der heilige Cäcilie trafen. So wie sie der Bildhauer Stefano Maderno um 1600 für die Kirche Santa Cecilia im römischen Stadtteil Trastevere geschaffen hat.

Cäcilia war eine sehr robuste Heilige, die im dritten Jahrhundert nach Christus gelebt hat. In Rom, wo sie auch von Papst Urban I. getauft wurde. Sie war wohlhabend, verteilte aber all ihren Besitz unter den Armen, um ganz der Nachfolge Christi zu leben. Weshalb sie vom Präfekten zum Tode durch das Ersticken in heißem Dampf verurteilt wurde.
Doch die glühende Sauna, in der Cäcilia einen Tag und eine Nacht verbrachte, konnten der Heiligen nichts anhaben. Also befahl der Präfekt, sie zu enthaupten. Doch auch das misslang. Trotz der schweren Verwundungen am Hals lebte Cäcilia noch drei Tage lang, in denen sie viele Menschen zum christlichen Glauben bekehrte. Papst Urban ließ ihren Leichnam schließlich in der Papstgruft bestatten.
Die Pfarrkirche St. Cäcilia hat ihre Heilige leibhaftig bei sich.
Seit 1599 besitzt die Heilige Cäcilia ihre eigene Kirche im römischen Stadtteil Trastevere. Als man ihren Leichnam dorthin überführte, wurde der Sarg noch einmal geöffnet. Man fand, so heißt es, den Leichnam, aber in seltsam verdrehter Stellung. Der römische Bildhauer Stefano Maderno hat das Bild in einer Skulptur eingefangen, die inzwischen hunderttausend Mal kopiert wurde. Auch die Pfarrkirche von Mosbach hat ihre Cäcilia leibhaftig bei sich.

Und da Cäcilia ja bekanntlich die Schutzpatronin der Kirchenmusik ist, legten wir bei ihr eine kleine Rast ein. Wir lasen die zauberhaften Novelle, die Heinrich von Kleist geschrieben hat: „Die heilige Cäcilie oder die Gewalt der Musik“. Und sangen einigen Liedern aus Taizé.
Im stattlichen Franziskanerkloster residiert heute der Amtsrichter.
Durch die verwinkelten Gassen steigen wir wieder hinab zur Hauptstraße. Wir folgen ihr ein weites Stück nach Osten, bis wir bei der Nummer 110 vor einem stattlichen barocken Gebäudekomplex stehen: Das ehemalige Franziskanerkloster aus dem 17. Jahrhundert. Heute sprechen hier das Amts- und das Landgericht Recht.
1686 waren die Franziskaner-Mönche im Auftrag des Kurfürsten ins reformierte Mosbach gekommen, um die Stadt wieder zum katholischen Glauben zurückzuführen. Was nur bedingt funktioniert hat. Aber immerhin sollen die Franziskaner im Pfälzischen Erbfolgekrieg die Truppen Ludwig XIV. davon abgehalten haben, Mosbach zu zerstören.

1808 wurden der Orden und das Kloster aufgehoben. Die beiden Seitenaltäre und die Kanzel der Klosterkirche stehen jetzt in St. Juliana am Marktplatz. Wo einst das barocke Klosterkirchlein stand, befindet sich heute das Mosbacher Gefängnis. Und die ehemalige Hauskapelle ist mittlerweile der große Sitzungsaal des Landgerichts.
Der Klostergarten ist ein verwunschener Ort mit „nachwachsender Apotheke“.
Erhalten geblieben sind lediglich der alte Klosterbrunnen und der große Klostergarten. Zur Landesgartenschau 1997 wurde er als „nachwachsende Apotheke“ mit Kräutern, Gemüse, Blumen und Obstbäumen rekonstruiert. Der Klostergarten ist ein sehr verwunschener Ort, der im Sommer wunderbar duftet. Mehr als 200 Heilkräuter sind hier versammelt.

Leider hat der Klostergarten in den letzten Jahre viel von seinem Pflanzenreichtum wieder eingebüßt, weil die begeisterten, ehrenamtlichen „Gärtner“ deutlich weniger geworden sind. Aber ein Schatz ist dieses versteckte Kleinod noch immer.
Am Eingang zum Friedhof steht eine der schönsten Kapellen Badens.
Wir folgten der Hauptstraße bis ganz an ihr Ende, wo sinnigerweise der Mosbacher Friedhof liegt. Hier nämlich steht eine der schönsten Kapellen Badens: die Gutleutkapelle aus dem frühen 15. Jahrhundert. Pfalzgräfin Johanna hat sie gestiftet, die große Liebe von unserem Freund Otto. Doch selbst gesehen hat Johanna die Kapelle wahrscheinlich nicht mehr. Sie starb mit 31 Jahren bei der Geburt ihres neunten Kindes.

Die Aura der Gutleutkapelle berührt bis heute. Ebenso wie ihre Geschichte: Lepra war im Mittelalter eine unheilbare Krankheit, aber sie war nicht unmittelbar tödlich. Nach der Ansteckung konnten man noch Jahrzehnte lang leben, es blieb aber immer die Gefahr, jeden Menschen, mit dem man in Kontakt kam, zu infizieren.
Weshalb die Leprakranken vor den Toren der Stadt isoliert wurden. Sobald sie diesen Bereich verließen, mussten sie unentwegt eine Klapper schlagen und laut „unrein“ rufen. Kein Mensch sollte einem Leprakranken je wieder nahe kommen.
Innen ist das Kirchlein ein Traum in Pastell.

Die Mosbacher Pfalzgräfin dauerten die klappernden Schatten so sehr, dass sie ihnen das Kirchlein bauen ließ. Schon von außen wirkt die Gutleutkapelle sehr malerisch mit den uralte Grabplatten aus der Stiftskirche, die an ihre Außenwand lehnen. Innen ist die Kapelle ein Traum in Pastell. Reich geschmückt mit hochwertigen Wandmalerein und „Bildteppichen“. Bei diesem Kleinod endete unser Kirchenspaziergang.
Auf dem Rückweg zur S-Bahn bummelten wir noch durch Gartenschaupark. Der Weg führt immer am munteren Elzbach entlang, der mitunter zu stillen Teich angestaut wird.