Waghäusel: Die Wohltaten der kleinen Madonna

Eine kleine Muttergottes
rettete einst einen Schäfer.

Unheimlich war’s dem Schäfer schon. In diesem undurchdringlichen Lußhardtwald. Doch der Boden lag voller Eicheln. Für Schafe ein Festmahl. Immer tiefer drangen die Tiere in die Finsternis vor, während der Hirte versuchte, sich zu orientieren. Plötzlich eine Stimme. Glockenhell. „Nicht weiter! Das Wasser kommt!“

Der Schäfer blickte auf und sah in einer hohlen Eiche eine Madonna mit Kind. Klein. Zart. Bildhübsch. So begann die Wallfahrt nach Waghäusel. Vor fast 600 Jahren. Aus der Baumhöhle ist ein Kloster geworden. Aus dem Lußhardtwald ein Industriegebiet. Gerade wird es zurückgebaut. Und in einen Park verwandelt. Das zweite Wunder von Waghäusel.

„Welch schauerliche Waldung. So dicht, dass kein Sonnenstrahl je hindurch dringt.“

Der Rhein. Einst ein munterer Strom, der von den Tälern Graubündens in weiten Schleifen zur Nordsee strebte. An seinen Ufern wucherten wilde Urwälder, durchzogen von Mooren und Bächen. Ein Paradies für Tiere. Ein Angstraum für Menschen. Wie der Lußhardt.

Kein Wunder, dass unser Hirte anno 1435 der Madonna unendlich dankbar war. Den Rest seines Lebens widmete er dem Bau einer gotischen Kapelle. Mittendrin im Lußhardt, wo das Gnadenbild noch heute steht. Nur der Wald ist nicht mehr da.

Kloster Waghäusel ist heute ein frequentierter Wallfahrtsort

Die Bischöfe von Speyer ließen sich direkt neben dem Kloster ein Jagdschloss bauen.

Das 16. Jahrhundert hat ihn gerodet. Für Felder und eine Landstraße. Sie machte die kleine Madonna berühmt. Von weither wallten die Menschen zur „Mutter mit dem gütigen Herzen“. Ein Einsiedler baute sich gar eine Hütte neben die Kapelle. Sein „Häusel am Wagbach“ hat der Stadt ihren Namen gegeben.

Im 17. Jahrhundert avancierte Waghäusel zum wichtigsten Wallfahrtsort im Bistum Speyer. Die Kirche wurde vergrößert. Und barockisiert. Direkt über dem Altar schwebte nun eine Empore. Für den Fürstbischof, wenn er in Waghäusel weilte. Was oft der Fall war. Denn die Bischöfe von Speyer hatten sich direkt neben dem Kloster ein Jagdschloss bauen lassen. Die „Eremitage“ war ein barocker Traum mit 16 Ecken, einem gläsernen Dachgeschoss und einem sensationellen Park. Waghäusel leuchtete.

Betreut wurde die Wallfahrt von Kapuzinermönchen, denen der Bischof ein Kloster hatte bauen lassen. Seit 2000 beten in ihm die „Brüder vom Gemeinsamen Leben“. Ein Priesterorden in der Nachfolge des heiligen Augustinus.

Die ehemalige Eremitage der Bischöfe von Speyer.

Unversehrt stand die Madonna in den rauchigen Ruinen.

1803 die Säkularisierung. Das Bistum Speyer verschwand. Kloster Waghäusel geriet in den Sog der Industrie. Der Badische Großherzog verkaufte die Eremitage an Südzucker. Im Bischofspark wuchsen jetzt Förderbänder, Silos und Schornsteine. Doch es kam noch schlimmer.

1920 brannte das Kloster vollständig ab. Lediglich die gotische Kapelle und die Madonna überlebten. „Unversehrt stand sie in rauchigen Ruinen“, berichtet die Chronik. 1972 wurde auch noch das Kernkraftwerk Philippsburg in Betrieb genommen. Seine beiden Kühltürme befanden sich gefühlt mitten im Klostergarten.

„Maria hat geholfen“

Alles Vergangenheit. Das AKW ist abgeschaltet, die Kühltürme wurden 2020 gesprengt. Die Zuckerfabrik schloss schon 1995 ihre Tore. Auch ihre Relikte sind fast verschwunden.

1920 brannte das Kloster vollständig ab. Nur die Madonna überlebte.

Die Eremitage gehört jetzt der Stadt Waghäusel und ist schön restauriert. Für Kunst und Veranstaltungen. Der Park der Bischöfe lockt wieder zum Flanieren. Und der Wagbach sprudelt bald im neuen Bett zu den Altrhein-Auen hinab. Sie sind ein Naturschutzgebiet für Wasservögel.

Die Madonna betrachtet all diese Veränderungen mit sanftem Lächeln. Nur manchmal scheint es, als werfe sie einen spitzbübischen Blick auf all die Votivtafeln an der Wand. Auf ihnen steht immer derselbe Satz. „Maria hat geholfen“.

Kirchenfakten
Name: Wallfahrtskirche Waghäusel zur „Mutter mit dem gütigen Herzen“
Adresse: Bischof-von-Rammung-Strasse 2, 68753 Waghäusel
Konfession: katholisch
Baujahr: 1473 / 1616 / 1921
Baustil: Gotik / Barock / Neubarock
Kunstschätze:
– Gotisches Stehmadonna mit Kind um 1430
– Urne mit dem Herz des Speyerer Fürstbischofs von Hutten in einer verschlossenen Nische mit Inschriftentafel (1770)
– Neubarocke Altäre und Kanzel von Emil Sutor (1930)
– Moderne Glasfenster von Valentin Feuerstein im Chor (1960)
– Orgel der Firma Heß aus Durlach (1941)
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: Sekretariat der Wallfahrtskirche Waghäusel, Bischof-von-Rammung-Str. 2, 68753 Waghäusel
Telefon: 07254-9288-0
E-Mail: info@kloster-waghaeusel.de
Internet: www.kloster-waghaeusel.de

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