Der Weg durchs Himmelsreich ist mühsam. Er verlangt langen Atem und gutes Schuhwerk, denn die 274 Steinstufen sind uneben und hoch. Man geht zwischen duftenden Kräutern und gewaltigen Trockenmauern. Sie schützen einen alten Weinberg über Gundelsheim, der auf den schönen Namen „Himmelsreich“ hört.
In früheren Zeiten haben die Menschen beim Aufstieg sogar noch Heiligenfiguren, Musikinstrumente und Kerzen getragen. Denn der Pfad ist ein Kreuzweg, der zu einem der verwunschensten Gotteshäuser im Neckartal führt: Die Wallfahrtskirche St. Michael wacht schon seit 1030 über Stadt und Fluss. Sie ist eine archaische Schönheit mit riesiger Aura.
Michaelsberge sind immer Ur-Orte. Schon vor allen Zeiten haben Menschen hier gesiedelt.
Wenn ein Berg den Namen des Erzengels Michael trägt, kann man sicher sein, dass Menschen hier schon vor allen Zeiten gesiedelt haben. Michaelsberge sind immer Ur-Orte. Selbst wenn sie wie der Gundelsheimer nur 240 Meter messen. Seine fehlenden Höhe macht der Berg wett durch ein geschütztes Plateau und steile Hänge, die nach drei Seiten zu einer Neckarschleife abfallen.
Die Kelten haben hier oben gelebt, die Römer und die Alamannen. 771 hörte man erstmals von einer „Basilica“ aus Stein. Ein Einsiedler namens Godefried hat das Gotteshäuschen erbaut und dem Kloster Lorsch vermacht. So die offizielle Version.
Die viel populärere Geschichte erzählt von der tragischen Liebe eines christlichen Mädchen zu einem heidnischen Jüngling. Als es dem Mägdelein nicht gelang, ihren Liebsten zu bekehren, floh sie in die Wildnis des Michaelsbergs, wo sie starb. Der junge Mann entdeckte ihren Leichnam, begrub ihn auf dem Bergplateau und ließ sich taufen. Als frommer Einsiedler errichtete er sodann eine Kapelle über dem Grab der Geliebten.
Der merkwürdig dreckige Turm aus archaisch-unverputztem Sandstein war einst ein Schutzraum.
Von diesem ersten Kirchlein ist nichts mehr erhalten. Der romanische Nachfolgebau beeindruckt dafür umso mehr: Wir sehen einen merkwürdig dreieckigen Turm aus grobem Sandstein, archaisch-unverputzt, der sich auf der Rückseite wie eine Pyramide verbreitert. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine Stütze, damit der Turm nicht kippt, ist in Wahrheit ein Schutzraum mit Schießscharten. Bei feindlichen Angriffen konnten die Bauern hierher fliehen. Der schiefe Turm ist der älteste Teil der Michaelskirche.
Kirchenschiff und Chor sind gotisch. Also fast dreihundert Jahre jünger. Zu dieser Zeit hatte bereits der Wohlstand in Gundelsheim Einzug gehalten. Dank der Deutschritter. Der katholische Orden, den man an den langen weißen Umhängen mit schwarzem Kreuz erkennt, erbte 1258 die Burg Horneck in Gundelsheim und erweiterte sie sukzessive zu seinem Hauptsitz. 1494 wurde der „Deutschmeister“ sogar in den Rang eines Fürsten erhoben.
Mit den „Deutschmeistern“ kam der Wohlstand nach Gundelsheim. Der Orden machte St. Michael wurde zur Wallfahrtskirche mit allen Raffinessen.
Die frommen Ritter erkannten sofort spirituelle Potential von St. Michael, das sie zur Wallfahrtskirche ausbauten. Mit allen Raffinessen. Das Kirchlein erhielt ein Langhaus mit Kreuzrippengewölbe. Später kam auch noch eine Empore hinzu. Am interessantesten jedoch ist der merkwürdig in die Breite gezogene Chor, der als Wimmelbild durchgehen könnte. Es gibt einen Triumphbogen, mehrere Nebenaltäre, einen Baldachin, den Erzengel Michael in Öl, die heiligen drei Könige, die zwölf Nothelfer und natürlich das Wappen des Deutschen Ritterordens. Im Mittelalter war auch noch das Kircheninnere komplett ausgemalt. An der Nordwand hat man ein Wandbild wiedere freigelegt. Man erahnt einen Fuchs.
Und dann ist da natürlich noch bildhübsche Madonna aus dem 14. Jahrhundert. Die Schöne steht im rechten Seitenaltar. Allerdings nur als Kopie. Das Original befindet sich gut geschützt in der Pfarrkirche von Gundelsheim. 274 Steinstufen tiefer.
Kirchenfakten |
Name: St. Michael Adresse: Michaelsberg 2, 74831 Gundelsheim-Böttingen Konfession: katholisch Baujahr: 1030/ 1513 /1702 Baustil: romanisch/ gotisch Kunstschätze: – Michaels-Altar von 1702 – Drei-Königs-Seitenaltar 1610 (gestiftet vom Deutschordens-Komtur) – Pietà aus Terracotta um 1400 (Nachbildung).Das Original steht in die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus. – Statuetten der 14 Nothelfer und vier weiterer Heiliger – historische Gemälde mit Darstellungen des Erzengels Michael, der Muttergottes und weiterer Heiliger Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet Kontakt: Pfarrbüro St. Nikolaus, Schloßstraße 3, 74831 Gundelsheim Telefon: 06269/353 e-Mail: StNikolaus.Gundelsheim@drs.de Internet: stnikolaus-gundelsheim.drs.de | |