Amorbach: Befreit von aller irdischen Schwere

Die Abteikirche von Amorbach ist Rokoko vom Feinsten, …

Die Pforte zum Himmelreich ist eine schlichte Holztür am Ende des Ganges. Vorsichtig drückt man die Klinke und wird überflutet von strahlender Helligkeit. Gold glänzt, wohin man auch sieht. Engel und Putten schweben von der Decke herab. Längst vergangene Gestalten der biblischen Geschichte werden wieder lebendig. Sie lachen und leiden, hoffen und zweifeln, singen und beten.

Und hoch oben über all dieser flirrenden Schönheit öffnet sich der Himmel für einen Blick in die Ewigkeit. Die Abteikirche von Amorbach ist Rokoko vom Feinsten. Eine in sich geschlossene Welt von narkotischer Fülle, wie man sie eigentlich nur von katholischen Kirchen kennt. Die Abteikirche jedoch glaubt seit 1803 evangelisch. 

Wohin man auch sieht, es leuchtet weißblau. Keine Frage: Wir sind in Bayern.

Amorbach liegt wie eine Insel in einem Talkessel,  umgeben von undurchdringlichem Odenwald. Seine Höhen steigen bis auf 480 Meter an und schützen die 4000 Einwohner des Städtchens vor kalten Nordwinden. Wohin man auch sieht, leuchtet es weißblau. Wir sind in Bayern. Da das Tal der Mud überwiegend aus kargen Sandböden besteht, lebt Amorbach seit Menschengedenken vom Wald. Davon gibt es hier reichlich. 

…, doch seit Pfingsten 1803 glaubt sie treu evangelisch. 

Heiliges Wasser liefert die glasklare Quelle „Amorsbrunn“ in der Talaue. Sie galt schon in heidnischer Zeit als magischer Ort, zu dem die Menschen in Scharen wallten. Benediktinische Wandermönche haben die Quelle im 8. Jahrhundert „getauft“ und gleich nebenan ein Kloster gegründet. Der heilige Bonifatius soll es persönlich geweiht haben. 734. Die Abtei herrschte unter dem Schutz der Gottesmutter Maria über den ganzen südöstlichen Odenwald. Ihre Bücher künden von reichen Schätzen und Patres aus allen Adelshäusern.

Zum 1000. Geburtstag beschloss der Abt ein neues Gotteshaus zu bauen. Es wurde eine der schönste Schöpfungen des Rokoko.

Im 16. Jahrhundert kam die Reformation. Der Adel des Odenwaldes lief in Scharen zum neuen Glauben über. Nur Amorbach behauptete sich tapfer als katholisches Eiland im protestantischen Meer. Immerhin durften die Mönche inzwischen studieren und akademische Grade erwerben. 1734, im Jahr des tausendjährigen Jubiläums, zählte die Abtei noch 41 Patres und war unermeßlich reich. Weshalb Abt Engelbert Kimbacher beschloss, dem Kloster ein neues Gotteshaus zu schenken. Es sollte eine der schönsten Schöpfungen des Rokoko in Deutschland werden. 

Gewaltige Ausmaße: Allein der Konventbau der ehemaligen Abtei ist 118 Meter lang.

Das schlichte romanische Abteikirchlein hat man abgerissen, nur seine beiden Türme blieben stehen. Wer genau hinsieht, kann an ihren Sockeln noch uralte Figuren entdecken. Die neue Rokokokirche erhielt ein hohes, dreischiffiges Langhaus mit gewaltigem Chor und Klarglasfenstern, die den Raum in eine Orgie aus Licht verwandeln. Pastelltöne überwiegen. Weiß, rosa, hellblau. Und natürlich Stuck und Gold, wohin man auch sieht. Alles schwebt. Leicht, graziös, überirdisch. Putten und Blätter, Blüten und Muscheln, Heilige und Engel ranken sich umeinander, befreit von aller irdischen Schwere. Und im Zentrum der Decke steht der Himmel weit offen. Rokoko pur.

Der schlichte evangelische Holzaltar steht schüchtern zwischen all dem Gold und den Engeln.

Hoch oben öffnet sich der Himmel für einen Blick in die Ewigkeit.

Viel Zeit, die neue Kirche zu genießen, blieb den Mönchen nicht. 1801 hatte Napoleon alle Gebiete links des Rheins erobert. 1803 sprach man dem deutschen Adel, der in der Pfalz enteigneten worden war, als Entschädigung den Besitz der Klöster rechts des Rheins zu. Die Orden wurden aufgelöst.

Die Benediktinerabtei Amorbach ging an das Fürstenhaus von Leiningen aus Bad Dürkheim. Fürst Karl Friedrich Wilhelm machte Amorbach zu seiner Residenz und die Abteikirche zur Hofkirche. An Pfingsten 1803 wurde hier der erste protestantische Gottesdienst gefeiert. Der schlichte evangelische Holzaltar steht heute  schüchtern zwischen all dem Gold, den Heiligen und den Engeln.

Kirchenfakten
Name: Fürstliche Abtei Amorbach
Adresse:
 Schlossplatz 1, 63916 Amorbach
Konfession: evangelisch
Baujahr: 1742
Baustil: Rokoko 
Kunstschätze: 
– Weltberühmte Barock-Orgel der Gebrüder Stumm (5116 Pfeifen, 56 Register und Glockenspiel, vier Manuale)
– Im spätbarocken Originalzustand erhaltene qualitätvolle Ausstattung des Kirchenraums (Kanzel, Altäre, Fresken, Stuckaturen, Deckenmalereien)
Öffnungszeiten: An Wochentagen: 10 bis 16.30. Am Wochenende: 11 bis 16 Uhr
Kontakt:  Informationszentrum Bayerischer Odenwald, 63916 Amorbach, Schlossplatz 1
Telefon: 09373-200574
E-Mail: amorbach@tourismus-odenwald.de
Internet: www.bayerischer-odenwald.de

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