Spechbach: Das doppelte Lottchen

Die katholische und die evangelische Kirche stehen traulich gemeinsam auf einem Hügel.

Auf einem Hügel über Spechbach stehen zwei Kirchlein. Rücken an Rücken. So innig vertraut, als wollten sie zusammen kuscheln. Die Ähnlichkeit der Gotteshäuser ist frappant. Beide besitzen ein barockes Langhaus, beide einen Turm mit frech-geknicktem Helmdach.

Nur die Konfessionen unterscheiden sich. Die kleinere Kirche glaubt evangelisch, die größere katholisch.

In Spechbach sieht man solche Unterschiede locker. Weil hier auch nicht ganz klar ist, ob der Ort geologisch noch im Kraichgau oder schon im Kleinen Odenwald liegt. Und ob man sich eher gen Sinsheim oder gen Heidelberg orientiert. Ein Abstecher in ein Dorf, das von sich sagt, es liege „middezwischedrin“.

Kirchen, die den heiligen Martin als Patron haben, gehören stets zu den ältesten der Region.

Die katholische St. Martinskirche ist allerdings gut ein halbes Jahrhundert älter.

Es hat eine Zeit gegeben, da hielt man das Tal des Spechbachs für einen magischen Kraftort. Weil hier der Muschelkalk und der Buntsandstein direkt aufeinander treffen. Das macht etwas mit den Menschen. Die Römer, die ein Gespür für Schwingungen hatten, führten eigens deshalb ihre Landstraße durch Spechbach. Wahrscheinlich gab es hier auch ein Heiligtum. Zwei römische Votivsteine hat man gefunden. 

Die Franken bauten am Hügel über dem Spechbach ein erstes Martinskirchlein. Um das Jahr 800. Gotteshäuser, die den heiligen Martin als Patron haben, gehören stets zu den ältesten einer Region.

Wer die Kapelle und ihren Kaplan finanziert hat, ist unklar. Einen Adelshof gab es am Spechbach nicht. Vermutlich handelte es sich um eine romanische Kirchenburg, in die sich die Bauern flüchten konnten, wenn Gefahr drohte. Was immerfort der Fall war, denn der Adel hatte einen riesigen Bedarf an Soldaten. Seine Schlepper brannten die Dörfer nieder und zwangen die Bauern zum Kriegsdienst.

Was man aber seit dem 2. Vatikanum nur noch von außen bemerkt.

Im Barock wurden die Kirchen neu verteilt. Den Protestanten bliebt nur ein Raum im Rathaus.

Die Kirchenburg kann man heute noch erahnen. An der Hanglage, die sich gut verteidigen ließ. Und am wuchtigen Chorturm, 36 Meter hoch, mit seinen dicken Mauern. Der Schlussstein des ehemaligen gotischen Chors ziert heute den Eingang der Kirche. Man sieht eine Hand mit drei ausgestreckten Fingern. Das Zeichen für die Dreifaltigkeit.

1556 kam die Reformation in der Kurpfalz und mit ihr die große Leere. Altäre und Heiligenbilder verschwanden. Fast hundertfünfzig Jahre lang brannte in St. Martin kein ewiges Licht mehr.

Das Zeichen für Dreifaltigkeit.

1705 wurden die Kirchen der Kurpfalz neu verteilt. Je nach der Zahl der Gläubigen. St. Martin avancierte zur katholischen Kirche für alle umliegenden Dörfer. Spechbachs Protestanten mussten sich mit einem Raum im Rathaus begnügen. Fast 70 Jahre lang. 

Bei der Einweihung der neuen Kirche rieb sich alle Welt die Augen: Die evangelische sah jetzt fast genauso aus wie die katholische!

Kaum in St. Martin eingezogen, stand den Katholiken der Sinn nach Größeren: Ein barockes Gotteshaus musste her. Mit zwei Fensterachsen im Langhaus und Seitenportalen. 1766 wurde die neue St. Martins-Kirche geweiht. Die Protestanten erblassten vor Neid – und begannen zu sammeln.

Innen reibt man sich die Augen. So sehr gleichen sich die beiden Schwester-Kirchen.

Zehn Jahre später gab es auch eine neue evangelische Kirche, nur einen Steinwurf von der katholischen entfernt. Bei der Einweihung rieb sich alle Welt die Augen: Die neue evangelische Kirche sah fast genauso aus wie die alte katholische!

In den 1970er Jahren schließlich sorgten die Katholiken dafür, dass sich die beiden Gotteshäuser auch innen einander anglichen. Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils räumten sie ihre Kirche so radikal leer, dass sie von der evangelischen kaum noch zu unterscheiden war. Nur die üppige barocke Madonna hat überlebt. 

Kirchenfakten
Name: St. Martin / Evangelische Kirche
Adresse
: Kirchenstraße, 74937 Spechbach
Konfession: katholisch / evangelisch
Baujahr: 13. Jahrhundert, 1766, 1972 / 1776
Baustil: romanisch, barock / barock
Kunstschätze:
– Barocke Madonna
– barocke Figur der heiligen Katharina über dem Südportal
– kleine Sonnenuhr
– Grabdenkmal für Pfarrer Kirchgässner (1893)
– moderne Prinzipalien
– Chorbild von Gisela Bär
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet (kath.)/nach Vereinbarung (ev.)

Kontakt:
1. Katholisch: Pfarrbüro der SE Waibstadt
Adresse: Pfarrstraße 3, 74915 Waibstadt,
Telefon: 07263-40921-0
E-Mail: info@se-waibstadt.de

2. Evangelisch: Pfarramt der Evangelischen Kirchengemeinden Epfenbach und Spechbach
Adresse: Hauptstraße 51, 74925 Epfenbach
Telefon: 07263-5857
E-Mail: Epfenbach@kbz.ekiba.de

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