Hilsbach: Wo es nach Paradies duftet

Der Chor der Michaelskirche ist feinste Frühgotik.

Die schmale Treppe steigt steil hinan. Man geht zwischen Pfirsich- und Apfelbäumen, neben den Stufen schlängeln sich die Ranken von Honigmelonen. Es duftet nach Paradies. Und wenn man zurückblickt, verschwimmen die Hügel des Kraichgaus zu einer Symphonie in Grün und Gelb. Plötzlich steht sie da, die Michaelskirche von Hilsbach. Uralt, majestätisch, mauerbewehrt.

Auf einem Felssporn, 242 Meter über der Landstraße,  umgeben von windschiefem Fachwerk. Das gotische Kirchlein stammt noch aus der Zeit, als Hilsbach zu den wichtigsten Städten der Kurpfalz gehörte. Ein Ausflug ins 14. Jahrhundert. 

Von der Veste konnten die Ritter weit übers Land sehen und die Straße kontrollieren.

Hilsbach liegt nicht am Hilsbach. Zumindest der Hauptort nicht. Um 1250 haben die Grafen von Oettingen das Dorf im Tal aufgegeben, um am Südrand des Steinsberg-Plateaus eine Burg zu errichten.

Von der Veste aus konnten die Ritter weit übers Land sehen und die Straße kontrollieren. Hilsbach wurde reich und zur Stadt erhoben. Heute markiert es die Südgrenze des Rhein-Neckar-Kreises.

Die Kirche steht 242 Meter hoch auf einem Felssporn.

Die Michaelskirche ist eines der ältesten Gotteshäuser im Kraichgau. Sie entstand wahrscheinlich zusammen mit der Festung. Der frühgotische Chor ist noch erhalten, weitgehend original. Mit starken Strebepfeilern und spitzbogigen Fenstern. Das Gewölbe und die Schlusssteine gehören zum Feinsten, was die Region zu bieten hat.

Zwei Stadttore und mindestens fünf Türme zierten einst das Städtchen.

Die Grafen von Oettingen freilich konnten sich nicht lange an ihrer Kirche freuen. Ihr Geschlecht starb 1361 aus. Hilsbach fiel an die Kurpfalz. Der Kurfürst gaben es als Lehen an die Freiherren von Venningen. Damit begann die Blüte von Hilsbach.

Zwei Stadttore und mindestens fünf Türme zierten einst das Städtchen. 1521 wurde die „Kellerei“ eingeweiht. Sie hat nichts mit Wein zu tun sondern mit Macht. Der „Keller“ war Landrat und Amtsrichter in einer Person. Hilsbach besaß sogar einen Galgen.

200 Jahre lang Chor und Schiff „simultan“ genutzt.

Mehr als hundert Jahre lang glaubte der Kraichgau streng calvinistisch.

1556 kam die Reformation in den Kraichgau. Mehr als hundert Jahre lang glaubte man hier jetzt streng calvinistisch. Die Michaelskirche wurde leergeräumt, dann stürzte sie zusammen. 1667. Aus heiterem Himmel. Direkt nach einer Beerdigung. Erst fiel die Mauer, dann der Turm. Nur der frühgotische Chor überlebte das Desaster. 

1685 der Wiederaufbau. Mit neuem Konzept. Der Friedhof wanderte vor die Stadtmauer, die Kirche erhielt ein größeres Langhaus mit Empore. Und einen „Messplatz“ vor der Tür. In Hilsbach wächst Wein, da feiert man gern. Bald gab es einen Ostermarkt, einen Johannismarkt, einen Michaelsmarkt … An der Außenmauer der Sakristei hängt noch heute der Maßstab für die „Speyerer Elle“. Zum Nachmessen. Falls sich ein Händler „vertan“ hat.

Direkt über den katholischen Kniebänken hing die evangelische Kanzel.

1705 die nächste Katastrophe. In Heidelberg regierte jetzt ein katholischer Kurfürst. Er verlangte, dass die Michaelskirche von beiden Konfessionen gemeinsam genutzt wird. „Simultaneum“ nennt man diese anspruchsvolle Kombination. 

Die Empore trägt eine historische Orgel von Louis Voit.

Den Chor beherrschte fortan ein katholischer Hochaltar mit zwei goldenen Cherubim. Im Langhaus hing direkt über den katholischen Kniebänken die evangelische Kanzel. Und zwischen Beichtstuhl und Kommunionsbank stand der evangelische Tischaltar. Es müssen zwei schwierige Jahrhunderte gewesen sein. 1951 bauten sich die Katholiken ein eigenes Gotteshaus. St. Marien. Die Michaelskirche konnte durchatmen. Schlicht, leer und weiß. 

Bis man wieder Deckenputz auf dem Altar fand. Der Dachstuhl neigte sich nach Westen, in der Chorwand entstanden Risse. Erneute Einsturzgefahr. Die große Sanierung wurde vor ein paar Wochen vollendet. Jetzt strahlt die Michaelskirche wie neugeboren. Sie ist angekommen im 21. Jahrhundert.

Kirchenfakten
Name: Evangelische Michaelskirche
Adresse: Lampertsgasse 3, 74889 Sinsheim-Hilsbach
Konfession: evangelisch
Baujahr: Um 1250 / 1685
Baustil: Gotik
Kunstschätze:
– Frühgotischer Chor mit prachtvollen Schlusssteinen
– Spätmittelalterliche Grabsteine aus dem 15. und 16. Jahrhundert
– Historische Kegelladenorgel von Louis Voit (Durlach) von 1873. Mit 1100 Pfeifen in 18 Registern
– Moderne Chorfenster von Valentin Feuerstein
Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung
Kontakt: 
Evangelisches Pfarramt Hilsbach, Markstraße 11, 74889 Sinsheim-Hilsbach
Telefon: 07260-317
E-Mailinfo@kirche-hilsbach-weiler.de
Internet: www.kirche-hilsbach-weiler.de

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