Wer an einem dieser hellen Tage die Mauritiuskirche in Leimen betritt, spürt den Sog, der von ihrem Chor ausgeht. Da will man hin, sich einhüllen lassen in ein Meer aus Farben. Und plötzlich sieht man sie. Die Fresken. Uralt, bildhübsch und schwer verletzt.
Jahrhundertelang mussten die filigranen Heiligen unter Putz darben. Sie wurden verhöhnt und zerkratzt. Und haben doch nichts von ihrer Ausstrahlung verloren. Vor allem die Madonna ist ein Traum. Wie eine Erscheinung lächelt die katholische Gottesmutter herab auf eine Gemeinde, die seit fast fünfhundert Jahren evangelisch glaubt. So ist Leimen.
Sechzig Kilometer gesegnete Erde, die der Urneckar angeschwemmt hat.
Die Bergstraße umweht stets ein Hauch von Paradies. Sechzig Kilometer gesegnete Erde, die der Urneckar vor Jahrmillionen angeschwemmt hat. Schon die Römer pflanzten in Leimen Wein, Kastanien und Melonen. Der fruchtbare Lehm hat dem Dorf vermutlich seinen Namen gegeben. Erst hieß es „Leimheim“, dann verkürzte man den Zungenbrecher: Leimen.
Reich geworden ist das Städtchen im ausgehenden 18. Jahrhundert. Der Unternehmer Aaron Elias Seligmann besaß das Monopol für Tabak und Salz. Damit finanzierte er die Hofhaltung von Kurfürst Karl Theodor. Das Palais Seligmann, ein Juwel des Spätbarock, ist heute das alte Rathaus. Zusammen mit der evangelischen Kirche formt es das Herz des Zementstädtchens.
Wundersamerweise ist der gotische Chor nie zerstört worden.
Mauritius ist das älteste Bauwerk von Leimen. Wundersamerweise ist der gotische Chor nie zerstört worden. Obwohl jeder Krieg die Stadt verheert hat. Der romanische Unterbau des Turms stammt noch aus dem 12. Jahrhundert. Man vermutet, dass er auf den Reste einer frühchristlichen Holzkapelle steht.
Das würde zum Patrozinium passen. Der heilige Mauritius war ein römischer Soldat, der als christlicher Märtyrer gestorben ist. Im frühen Mittelalter waren solche Heiligen enorm populär.
Zwei alte Grabsteine im Mauerwerk des Langhauses erinnern an den Friedhof, der das Kirchlein einst umgab. Er bestand nicht wie heute aus gepflegten Gräberreihen, sondern die Toten ruhten direkt unter den Wegen zur Kirche. Man glaubte, dass dadurch etwas von der Heiligkeit der Verstorbenen auf die Lebenden ausstrahlt.
1971 hat man die Fresken wiederentdeckt. Durch Zufall. Tief unter Putz.
Um 1200 avancierte Sankt Mauritius zur Chorturmkirche. Mit Kreuzrippengewölbe und schmalen Fensterschlitzen. 1971 hat man sie durch Zufall wiederentdeckt. Tief unter Putz. Zusammen mit zwei uralte Sakramentsnischen und den Resten der wunderbaren Fresken, mit denen der Chor einst ausgemalt war.
Ab 1450 begann Leimen zu wachsen. Es sprach sich herum, dass man hier gut leben konnte. Von den Schätzen der Erde. Und vom Wein. Die Leimener waren gerade dabei, ihr Kirchlein zu verlängern, da kam die Reformation. In calvinistischer Manier. Der Pfarrer räumte erst die Kirche leer, dann weißelte er eigenhändig die Fresken zu. Als ihre Umrisse schemenhaft sichtbar blieben, packte den Pastor die Wut. Er griff zum Dunkelrot. Vorbei war’s mit den Heiligen.
Das neue Langhaus war weiß, hell, mit viel Gold und einer Orgel mit prächtigem Prospekt.
Und bald auch mit der Kurpfalz. Der Dreißigjährige Krieg und der Erbfolgekrieg ließen nichts von ihrem Glanz übrig. Die Bergstraße lag entvölkert, und die Konfessionen mussten Mauritius gemeinsam nutzen. Der katholische Altar vor dem evangelischen. Lange ging das nicht gut. 1707 übersiedelten die Katholiken in die alte Kelter.
Die Protestanten bauten sich sofort ein neues, großes Langhaus im barocken Stil. Weiß, hell, mit viel Gold und großzügiger Empore für die neue Orgel mit ihrem prächtigen Prospekt. Dann erhöhten sie den Turm. Zwei seiner Glocken stammen sogar noch aus dem 15. Jahrhundert. Vielleicht ist die Bergstraße tatsächlich ein Stück vom Paradies.
Kirchenfakten |
Name: Mauritiuskirche Adresse: Turmgasse 19, 69181 Leimen Konfession: evangelisch Baujahr: 12.Jahrhundert / 15. Jahrhundert / 1783 Baustil: Gotik / Barock Kunstschätze: – gotische Fresken von 1280: Elisabeth, Katharina, Johannes d. Täufer, Maria mit Kind – Fresko des Evangelisten Johannes von 1460 – barocker Prospekt der Gebrüder Stumm-Orgel von 1785 – Walker Orgel von 1974 – kleine Glocke von 1410, große Glocke von 1470 – Glasfenster von Magda Rose-Weingardt (1972) Öffnungszeiten: nach Vereinbarung Kontakt: Evangelisches Pfarramt, Kapellengasse 1, 69181 Leimen Telefon: 06224-71303 E-Mail: leimen@kbz.ekiba.de Internet: www.ev-kirche-leimen.de |