Sommer im Bauland. Ein paar Pferde träumen im hohen Gras, am Himmel kreisen Milane, der Wind streicht zärtlich über die Gerste. Dazwischen ein Weg. Sanft steigt er den Hügel hinan. Mit jedem Schritt weitet sich der Blick. Auf einmal steht sie da. Die Kapelle. Wie ein Fatamorgana. Oder wie ein Raumschiff.
Neun Meter hoch. Seltsam kantig. Und doch federleicht. Sonnenstrahlen schlüpfen durch die Holzlamellen im Turm. Der Keramiksockel verschmilzt mit der Erde. Das Kirchlein scheint zu schweben. Amerikanische Studenten haben die Flukapelle von Bödigheim gebaut. Als ökumenisches Gotteshaus. Vielleicht ein Hinweis darauf, wo es langgeht für die sakrale Architektur im 21. Jahrhundert.
Es hat eine Zeit gegeben, da war Gott auf den Feldern allgegenwärtig.
Es hat eine Zeit gegeben, da war Gott auf den Feldern allgegenwärtig. Hier ein Kreuz, da ein Bildstock, dort ein Kapellchen. Die Marterl erzählten meist von Leid und Tod. Die Kirchlein waren Schutzräume für die Seele. In ihnen konnte man allein sein, ruhig werden, Gott begegnen. Dieser Tradition sieht sich die Bödigheimer Kapelle verpflichtet. Auch wenn sich ihr puristisches Äußeres deutlich von dem ihrer Vorgängerinnen unterscheidet.
Man betritt die Flurkapelle über ein Podest aus dunkelbraunen Klinkersteinen. Der Eingang ist schmal, fast höhlenartig. Ein Tor zu einer anderen Welt. Wie still es hier ist. Und wie karg. Nur ein schlichtes Kreuz aus Edelstahl schmückt den zehn Quadratmeter großen Gebetstraum. Das einst helle, unbehandelte Lärchenholz ist mit den Jahren silbergrau nachgedunkelt.
Die Lamellen des Turms wirken wie eine Himmelsleiter. Hinauf zum Firmament.
Alles Licht kommt von oben. Durch den Turm. Seine Lamellen wirken wie eine Himmelsleiter. Direkt hinauf zum Firmament. Ein optischer Trick verstärkt diesen Effekt: Wenn man von unten hinaufblickt, scheinen die Abstände zwischen den Lamellen alle gleich groß zu sein. In Wirklichkeit
werden sie oben aber immer breiter. Wodurch Perspektive entsteht. Und Weite. Der Gebetsraum wirkt intim und grenzenlos zugleich.
Ersonnen haben dieses raffinierte Spiel mit Licht und Perspektiven zwölf Architekturstudenten aus Chicago. Ein Zufall – oder eine Fügung? – führte sie 2009 nach Bödigheim. Das Dorf liegt etwa fünf Kilometer südlich von Buchen. Seit dem 13. Jahrhundert ist es der Stammsitz der Ritter Rüdt von Collenberg. 1551 führten die Freiherrn das lutherische Bekenntnis ein. Dabei ist man in Bödigheim geblieben. Eine evangelische Insel im katholischen „Madonnenländchen“.
2010 erhielt die Kapelle die höchste Auszeichnung des amerikanischen Architektenverbandes.
Viele Jahren lang wirkte Pfarrer Dankwart Moser-Feesche in der 1000-Seelen-Gemeinde. Sein Traum: Eine Flurkapelle bauen. Oben auf der Anhöhe zwischen Bödigheim, Seckach und Großeichholheim. Dort, wo man mit einem Blick die Kirchen aller drei Dörfer sehen kann. Doch woher das nötige Geld nehmen?
Bei einer Architekturausstellung im Januar 2009 erzählte Pfarrer Moser-Feesche der Buchener Architektin Dea Ecker von seiner Idee. Und siehe da: Sie war nicht nur begeistert. Dea Ecker wusste auch Rat.
Einer ihrer Studienkollegen war Architekturprofessor in Chicago. Und beklagte sich stets bitter darüber, dass amerikanische Universitäten keine Praktika vorsahen. Wie wäre es also, überlegte Dea Ecker, wenn die Chicagoer Studenten eine Flurkapelle für Bödigheim entwürfen? Quasi als Semesterarbeit.
So weit gedacht, ging plötzlich alles rasend schnell. Die Studenten zeichneten, die Architektin sprach mit den Ämtern, der Pfarrer begeisterte Sponsoren und sammelte Geld. Nur acht Wochen später stand die Kapelle. 2010 erhielt sie die höchste Auszeichnung des amerikanischen Architektenverbandes. Den „Honor Award for distinguished Building“.
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Name: Flurkapelle Bödigheim Adresse: Auf freiem Feld. Am besten erreichbar über die Straße zwischen Bödigheim und Seckach auf Höhe der Sägemühle. Konfession: ökumenisch Baujahr: 2009 Baustil: Moderne Öffnungszeiten: Immer geöffnet Kontakt: Evangelische Kirchengemeinde Bödigheim-Seckach, Hindenburgstraße 21a, 74722 Buchen- Bödigheim Telefon: 06292 / 9277187 E-Mail: boedigheim@kbz.ekiba Internet: www.adelsheim-box-berg.de/gemeinden-a-h/boedigheim-seckach |