Hirschhorn: Heilige Erde

Die Ersheimer Kapelle: Das
älteste Gotteshaus im Neckartal

Der schmale Treidelpfad schlängelt sich dicht am Neckar entlang. Drüben ragt der Odenwald wie eine dunkelgrüne Wand nach oben, hier paddeln Enten und wilder Weiderich leuchtet. Tiefer Frieden geht aus von diesem Stück Land.

Trotz des nahen Industriegebiets und der Parkplätze. Plötzlich steht sie da. Zauberhaft schön und atemberaubend alt. Die Ersheimer Kapelle, sagt man, sei die älteste Kirche im Neckartal. Wahrscheinlich haben schon fränkische Missionare an der Hirschhorner Neckarschleife ein Kirchlein gebaut. Im frühen 8. Jahrhundert. Heilige Erde.

Alle menschliche Kultur ist an Flüssen entstanden. Sie waren Verkehrsweg und Wasserlieferant, Jagdgrund und Abfalleimer. Funde belegen, dass schon vor 6000 Jahren Menschen die Halbinsel im Neckar bewohnten. 773 wird das Dorf Ersheim erwähnt, versehen mit dem Zusatz, dass die Bewohner unter Überschwemmungen litten. Der Nachteil, wenn man am Wasser baut.

Das Langhaus ziert eine
Hitparade der Heiligen

Die Geburt einer sagenhaft reichen Dynastie

1270 tauchte aus dem Nichts ein Johann von Hirschhorn im Codex des Klosters Lorsch auf. Mitsamt einer Burg. Das war die Geburt einer sagenhaft reichen Dynastie. Engelhard I., Johanns Enkel, herrschte schon über ein Gebiet, das sich von Neckarbischofsheim bis Bensheim, von Hirschhorn bis Neustadt erstreckte. Am kurpfälzischen Hof war er ein gefragter Ratgeber. Wer so viel Macht besaß, brauchte eine standesgemäße Grablege. 1355 ließ der Ritter die Ersheimer Kapelle niederreißen, um sie deutlich größer wieder aufzubauen. Im modernen gotischen Stil.

Die Vollendung der Kapelle hat Engelhard nicht mehr erlebt. Wohl aber sah er noch die farbenprächtigen Fresken im Mittelschiff. Das Gewölbe zieren die Symbole der vier Evangelisten, an den Wänden tummeln sich Propheten und Apostel. Engelhards Grabstein steht heute prominent im Chor. Ein Meisterwerk der Steinmetzkunst. Gesicht und Rüstung sind bis ins Detail ausgearbeitet.

Eberhard II. klaute den Finger des Heiligen Georg. Zwanzig Jahre Haft.

Engelhard I. wacht über den Chor

Neben Engelhard ruht seine Schwiegertochter Margarethe. Sie hat die Dynastie gerettet. Ihr Mann Engelhard II. nämlich war auf die Idee verfallen, im Mainzer Dom einen Finger des Heiligen Georg zu klauen. Zwanzig Jahre Haft.

Margarethe zog die Kinder allein groß, was ihr ausgezeichnet gelang. Sohn Hans avancierte zum Gesandten von König Ruprecht I. und erhielt 1391 das Stadtrecht für Hirschhorn. Das Dorf Ersheim wurde aufgebeben, die Bauern lebten nun sicher hinter der Stadtmauer. Nur die Kapelle stand noch auf ihrer Landzunge. Allein.

Immerhin erhielt sie Besuch. Die Hirschhorner setzten regelmäßig mit der Fähre über, um zu beten und Messen für die Verstorbenen zu stiften. 1464 wurde das Kirchenschiff nach Westen verlängert. Aus dieser Zeit stammen die Wandmalerei an der Südseite des Langhauses. Man sieht eine Hitparade der Heiligen: Georg, Stephanus, Johannes der Täufer.

Die ältesten Fresken
zeigen die Evangelisten

Auf dem Dachboden lebt die größte Fledermauskolonie Hessens

Engelhard III schließlich ließ 1517 den Chor modernisieren. Mit vielen Ecken, großen Maßwerkfenstern und üppigem Sternengewölbe. Viel benutzt wurde der Altarraum nicht mehr, denn die Ritter konvertierten zum lutherischen Glauben. Ersheimer Kapelle war nur mehr Friedhofskirche. Sie verfiel und sollte schließlich abgebrochen werden. Doch da waren die Hirschhorner vor. Ab 1678 zogen sie beständig in langen Prozessionen zu ihrer Kapelle, bis diese gerettet war.

Heute gibt es am Neckar keinen Ort, der so viel Weisheit und Ruhe ausstrahlt wie die Ersheimer Kapelle. Das wissen nicht nur Menschen zu schätzen. Auf dem Dachboden des Kirchleins lebt streng geschützt die größte Fledermauskolonie Hessens. Tausend Weibchen ziehen hier ihre Jungtiere auf. Sie gedeihen prächtig. Heilige Erde.

Kirchenfakten
Name: St. Nazarius und St. Celsus
Adresse: Ersheimer Straße 63, 69434 Hirschhorn (Neckar)
Konfession: katholisch
Baujahr: 1355 / 1517
Baustil: Gotik
Kunstschätze:
– Spätgotische Madonna aus 15. Jahrhundert
– Gotische Heiligenfiguren um 1500
– Prächtige Fresken aus dem 14. Jahrhundert
– Lebensgroße Grabsteine der Ritter von Hirschhorn
– Spätgotischer Ölberg
– Mittelalterliche Totenleuchte von 1412
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: Katholische Kirchengemeinde Neckartal, Klostergasse 26,
69434 Hirschhorn
Telefon: 06272 – 2234
E-Mail: Kath.Kirche-Neckartal@t-online.de
Internet: www.pfarrgruppe-neckartal.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*