Walldürn: Heiliges Blut

Seit 500 Jahren pilgern Gläubige
zum wundertätigen Altartuch

Mit Wundern ist das so eine Sache. Alle wünschen sich eines, aber niemand denkt an die Folgen. Heinrich Otto aus Dürn im hinteren Odenwald beispielsweise erschrak fast zu Tode, als das Wunder in sein Leben trat. Und dann wollte er es zeitlebens wieder ungeschehen machen.

Was ihm nicht gelungen ist. Seit 600 Jahren zählt Walldürn zu den wichtigsten Wallfahrtsorten Deutschlands.  Alljährlich pilgern fast 80000 Gläubige zu der prächtigen barocken Basilika, die das Zeichen hütet, das Gott dem Heinrich Otto gegeben hat: Ein Leinentuch mit zwölf scharlachroten Gesichtern Christi. Heiliges Blut.

Erst auf dem Sterbebett beichtete der Priester das Wunder.

Die Basilika öffnet sich in einen barocken Himmel hinein

Es war im Jahr 1330. Heinrich Otto wirkte als kleiner „Leutepriester“ auf dem Hochplateau des Odenwaldes. Eine raue Gegend, karg, menschenleer. Eines Tages stellte der Pfarrer den Kelch nach der Wandlung so schwungvoll auf den Altar, dass er überschwappte.

Im selben Augenblick erschien das Antlitz Christi mit Dornenkrone auf dem weißen Korporale. So nennt man das Tuch, das bei der Messe unter Kelch und Hostienschale liegt. Außer sich vor Entsetzen versteckte Otto das Korporale hinter einem losen Stein. Erst auf dem Sterbebett beichtete der Priester das Wunder.

Kaum hatte man das Tuch hervorgezogen, ergoss sich über Dürn eine wahre Wunderflut. Das „Mirakelbuch“ ist so dick, dass man es kaum tragen kann. 1445 attestierte Papst Eugen IV. den Dürnern, dass sie tatsächlich ein göttliches Zeichen besitzen. Seitdem nennt sich die Stadt „Walldürn“.

130.000 Pilger überrannten im 17. Jahrhundert das Städtchen im Odenwald

Die Lebenserwartung im Mittelalter war niedrig, die Angst vor dem Fegefeuer groß. In Scharen pilgerten die Menschen am Sonntag nach Pfingsten gen Walldürn zum wundertätigen Korporale. Leider verblasste es von Jahr zu Jahr mehr. Heute sieht man nur noch ein weißes Tuch.

Dabei wirkt die Wallfahrtskirche St. Georg von außen sehr nüchtern

Moderne Ultraviolett-Quarzfilter erkennen jedoch die Umrisse einer menschliche Gestalt mit erhobenen Armen. Das Korporale ist ohne Zweifel mehr als 500 Jahre alt.

Ihre größte Blüte erlebte die Walldürner Wallfahrt im Barock. Die Reformation hatte die katholische Kirche erschüttert, das Blutwunder gab ihr die Festigkeit im Glauben zurück. War es doch der sichtbare Beweis, dass sich bei der Eucharistie Brot und Wein tatsächlich in Leib und Blut Christi verwandeln. Bis zu 130000 Pilger überrannten im späten 17. Jahrhundert das Städtchen im Odenwald. Sie lagerten in Scheunen und aßen in Garküchen auf der Straße. Schließlich verlängerte man die Wallfahrt auf vier Wochen. So ist es bis heute geblieben.

Öffnet man die Tür, so steht man mittendrin im barocken Himmel

So soll das Christus-Bild auf dem Korporale ausgesehen haben

Die kleine gotische Kirche konnte die Massen bald nicht mehr fassen. 1698 riss man sie nieder. An ihrer Stelle wuchs ein stattliche barocke Basilika in die Höhe, deren Zwillingstürme man bis weit ins Land hinaus sieht. Von außen wirkt St. Georg nüchtern. Massiver roter Sandstein ohne Schmuck. Nichts bereitet den Besucher auf den Anblick vor, der sich ihm bietet, sobald er das schwere Portal öffnet.

Man steht mittendrin im barocken Himmel. Gold glänzt. Feinster Stuck scheint aus jedem Pilaster hervorzuquellen. Hunderte von Putten umflattern die Heiligen. Deckenmedaillons, Emporen, illusionistische Kuppeln, Gemälde, Madonnen. Wenige Kirchen sind mit so viel Reichtum und Detailpracht geschmückt wie die Basilika von Walldürn.

Nur der Nordflügel, wo der Blutaltar steht, stammt nicht aus dem Barock. Er ist das Untergeschoss des gotischen Kirchturms von 1330. Das Korporale hat sich nie von der Stelle bewegt. Allerdings ruht es heute in einem wertvollen Schrein aus Silber. Am „großen Blutfeiertag“, eine Woche nach Fronleichnam, tragen die Walldürner ihn in einer langen Prozession durch ihr Städtchen.

Kirchenfakten
Name: Wallfahrtsbasilika St. Georg
Adresse: Burgstraße, 74731 Walldürn
Konfession: katholisch
Baujahr: 1698 – 1728
Baustil: Barock
Kunstschätze:
– Blutaltar aus Sandstein und Alabaster von 1626
– Barocker Muttergottesaltar des berühmten Stuckateurs Gerord Hennicke
– Mächtige Barockkanzel von 1726
– Kreuzweg aus neunzehn Relief-Medaillons aus Stuck
– Einen Meter hohe Barock-Monstranz von 1719
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: Katholische Kirchengemeinde St. Georg, Burgstraße 26,
74731 Walldürn
Telefon: 06282 – 92030
E-Mail: sekretariat@st-georg-wallduern.de
Internet: http://www.wallfahrt-wallduern.de

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