Mörtelstein: Evangelische Alm über dem Neckar

Die Christuskirche wacht
über die Neckarschleife
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Sie haben es versucht. Sie haben mitten im Dorf eine Grube ausgehoben und Bauholz daneben gestapelt. Dann sind die Mörtelsteiner schlafen gegangen. Als sie am Morgen erwachten, war das Holz verschwunden. Man fand es auf dem Hügel neben der alten Kapelle.

Die Balken wurden zurückgeschafft, doch am nächsten Tag lagen sie wieder beim Kapellchen. Wie auch am übernächsten. Schließlich gab Mörtelstein auf – und baute seine Kirche draußen vor dem Dorf. Seit genau 200 Jahren steht sie nun dort, wo einst die Kapelle war. Weithin sichtbar, strahlend weiß, umgeben nur von Wiesen und Streuobst. Eine evangelische Alm hoch oben über der großen Neckarschleife.

Die Wolken hängen tief und die Wände fallen schroff hinab zum Fluss.

Die Sakristei war
einst Chorturmkirchlein
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Es liegt ein milder Ernst über dem Neckartal. Die Farben schimmern sanft, doch die Wolken hängen tief und die Wände fallen schroff hinab zum Fluss. Eine mystische Landschaft. Ganz nach dem Geschmack der ersten christlichen Missionare aus Schottland. Sie errichteten 1085 auf dem bewaldeten Bergsporn über der Neckarschleife eine erste hölzerne Kapelle. Später bauten Raubritter eine Burg daneben. Von ihr hat sich nur der Name erhalten: Mörtelstein.

Im 13. Jahrhundert wurde aus der Kapelle ein massives Chorturmkirchlein, dem heiligen Georg geweiht. Den Chor der Georgskirche gibt es heute noch. Er ist ein Schmuckstück, seit vor einigen Jahrzehnten zauberhafte spätgotische Malereien entdeckt und freigelegt wurden. Die Fresken sehen etwas mitgenommen aus nach all den Jahrhunderten unter Putz, doch ihre Wirkmacht ist ungebrochen. Wie die Legende vom Holzwunder beweist.

Eine katholische Kirche hat es am Klingenbach nie wieder gegeben.

Die spätgotische Fresken wurden
in den 1960ern entdeckt
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Das Dorf Mörtelstein entstand im späten 11. Jahrhundert. Als langgestreckte Siedlung im Tal des Klingenbächleins. Knapp 450 Einwohner zählt der Ort, der heute zu Obrigheim gehört. 1556 führte der Pfälzische Kurfürst in Mörtelstein die Reformation ein. Dabei ist man geblieben. Eine katholische Kirche hat es am Klingenbach nie wieder gegeben.

Das Jahr 1819. Mörtelstein lag inzwischen im Großherzogtum Baden und brauchte dringend ein neues Gotteshaus. Die alte Georgskirche war definitiv zu klein geworden. Da traf es sich gut, dass die badische Hauptstadt Karlsruhe dank Oberbaurat Friedrich Weinbrenner gerade zu einer Hochburgen des Klassizismus avancierte. Vorbei die Zeit des barocken Überschwangs, des Goldes und der Putten. Der Klassizismus liebte es ruhig, klar und nüchtern. Ein Baustil ganz nach dem Geschmack der Mörtelsteiner Protestanten.

Wenn ein Kind eine Kirche malt, sieht sie aus wie das Gotteshaus von Mörtelstein.

Ihr Bergkirchlein ist ein stiller, rechteckiger Bau mit Satteldach und schlichtem Turm. Kein Schnörkel, nirgends. Wenn ein Kind eine Kirche malt, sieht sie aus wie das Gotteshaus von Mörtelstein. Eine Urform. Jenseits aller Mode. Aber leider nicht jenseits allen Unbills.

Das moderne Christusfresco
gab der Kirche den Namen
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Geld war immer knapp im Mörtelstein. Erst lebte das Dorf von der Landwirtschaft. Dann gab es vorübergehend einen Eisenbahnanschluss. Heute pendelt man aus. Auch beim Kirchenbau musste gespart werden, was sich schnell rächte. Schon 1839 leckte das Dach. 1852 regnete es wieder „in die Orgelpfeifen hinein.“ 1947 waren Fußboden und Gestühl „größtenteils verfault.“ 1837 sprang die Glocke, 1854 wurde das Altartuch gestohlen. Sein Wert: „2 Gulden und 42 Kreuzer.“

In den 1960er Jahren hatten die Mörtelsteiner endgültig genug vom Stückwerk. Sie schritten zur Generalsanierung. Seitdem ziert ein riesiges modernes Christusfresko die Wand hinter dem Altar. Und auch der Name „Bergkirche“ ist eigentlich längst Vergangenheit. Am Pfingstsonntag 2004 hat der Landesbischof das Gotteshaus von Mörtelstein feierlich umgetauft. Es hört jetzt auf den stolzen Namen „Christuskirche“.

Kirchenfakten
Name: Christuskirche
Adresse: Alter Berg, 74847 Obrigheim-Mörtelstein
Konfession: evangelisch
Baujahr: 1819
Baustil: Klassizismus
Kunstschätze:
Spätgotische Fresken aus dem 15. Jahrhundert in der Sakristei
Modernes Christus-Fresko hinter dem Altar
Öffnungszeiten: nach Vereinbarung
Kontakt: Evangelisches Pfarramt Obrigheim, Hauptstraße 50,
74847 Obrigheim
Telefon: 0 62 61 – 72 82
E-Mail: pfarramt@evangelisch- obrigheim.de
Internet: www.evangelisch-obrigheim.de

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