Im ersten Moment fühlt man sich wie in einer jener Kabinen, mit denen Forscher tief ins Meer hinabtauchen. Nur dass vor den Scheiben keine Fische schwimmen, sondern Eichhörnchen, Meisen und Eichelhäher durch einen Kiefernwald huschen. Gerade will auch noch ein Specht ins Bild flattern, da intoniert die Orgel das Eingangslied.
Die Gemeinde erhebt sich, der Gottesdienst in der Mannheimer Pfingstbergkirche beginnt. Sie ist das einzige Gotteshaus der Welt, in dem alle Wände aus Glas sind. Ein Meisterwerk der Avantgarde. Und eine Art Raumschiff Orion zwischen den Kirchen der Region.
Der Pfingstberg ist der kleinste Stadtteil von Mannheim. Nur etwa 1700 Menschen leben auf der sandigen Anhöhe des Dossenwaldes, die in der Mitte zwischen der Rheinau und dem Rangierbahnhof liegt. Erst 1921 wurde der Pfingstberg besiedelt.
Zuvor hatten ihn die Rheinauer Bauern als Sommerweide für ihr Vieh genutzt. Der „Auftrieb“ begann immer an Pfingsten, daher der Name. Geschäfte oder Wirtschaften sucht man auf dem Pfingstberg vergebens. Hier lebt man ruhig. Im Einfamilienhaus oder in der Villa. Für Glamour sorgt allein die futuristische evangelische Kirche oben auf ihrem Sandhügel mit der schönen Adresse „Waldblick 30“.
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Stararchitekt Carlfried Mutschler hat das spektakuläre Gotteshaus entworfen. 1957. Und sich damit in einem Wettbewerb gegen zahlreiche namhafte Konkurrenten durchgesetzt. Wahrscheinlich, weil seine Kirche jenen uralten Traum wahr werden lässt, der schon die Baumeister der Gotik beflügelte: Himmel und Erde verschmelzen in der Pfingstbergkirche zu einer Einheit. Wo endet die Zeit? Wo beginnt die Ewigkeit
Möglich gemacht hat das Wunder vom Pfingstberg der Sichtbeton. Im flüssigen Zustand ist er das formbarste aller Baumaterialien. Getrocknet härter als Stein. Beton steht frei, trägt frei, schwebt frei. Carlfried Mutschler formte aus dem grauen Wundermaterial die Rahmen für seine gewaltigen Glasscheiben. Die Betonempore, auf der die Orgel steht, umschlingt den Raum wie ein lebendiges Wesen. Die Pfingstbergkirche wirkt so leicht und transparent, dass es dem Auge mitunter schwer fällt, zwischen Innen und Außen zu unterscheiden. Große Baukunst! Höchster Denkmalschutz.
Die Architekturfans pilgerten von Anfang an begeisterten in den Dossenwald. Die Pfingstberger Gemeinde jedoch tat sich erst schwer mit ihrer gläsernen Kirche. Weil sich die Gläubigen während des Gottesdienste fühlte, als säße sie auf dem Präsentierteller. Doch die jungen Föhren wuchsen schnell. Schon nach kurzer Zeit standen die Bäume vor dem Fenster so dicht, dass sie das Gotteshaus umhüllten wie ein schützender Mantel. Ein paar Zimmerpflanzen taten ein Übriges.
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Ein Manko jedoch existiert noch heute: Das Wetter nämlich hat Carlfried Mutschler bei seinem architektonischen Höhenflug außer Acht gelassen. Ihm Frühling und im Herbst ist die Pfingstbergkirche ein Traum. Im Sommer steigt die Temperatur im Innenraum rasch über 30 Grad, weil sich keines der Fenster öffnen lässt. Und im Winter kühlt das ungedämmte Glas die Kirche radikal aus. Barrierefreiheit wird es hier ebenfalls nie geben. Das Gotteshaus ist nur über Stufen zu erreichen. Und das muss so bleiben, denn die Pfingstbergkirche ist ein „Kulturdenkmal“.
Dafür ist die Akustik fantastisch. Musiker bekommen leuchtende Augen, wenn sie einmal in der Kirche ein Konzert gegeben haben. Hochzeitspaare und Taufgesellschaften lieben das Betonkunstwerk ebenfalls sehr. Weil es einfach wunderschön ist, auf einer durchsonnte Lichtung mitten im Wald „Ja“ zu sagen. Umgeben von klaren Formen, Farn und Kiefern.
Name: Pfingstbergkirche
Adresse: Waldblick 30, 68219 Mannheim Konfession: evangelisch Baujahr: 1963 Baustil: Moderne Kunstschätze: – Wandhohe Betontafel mit einen Auszug aus der Pfingstgeschichte, entworfen vom Grafiker A.Mayer – Altarraum vom Bildhauer Otto Herbert Hajek – Steinmeyer-Orgel von 1965 auf der Empore Öffnungszeiten: Nach Vereinbarung Kontakt: Pfarrbüro an Evangelischen Gemeinde Rheinau, Waldblick 30, 68219 Mannheim Telefon: 0621-28000-143 E-Mail: rheinau.mannheim@kbz.ekiba.de Internet: sued.ekma.de |