Kloster Lorsch: Reich und rätselhaft

Das Seitenteil der einst riesigen Basilika stammt aus dem Jahr 1090.

Auf den ersten Blick sind es nur zwei kleine Gebäude, die verloren in einem Meer aus Sanddünen stehen. Doch wenn man näher kommt, spürt man die Kraft, die von den uralten Mauern ausgeht. Und man ahnt, wieviel Mühe die Menschen vor mehr als tausend Jahren investiert haben, um der Wildnis solche Meisterwerke karolingischer Baukunst abzuringen. Allein für die Torhalle von Kloster Lorsch lohnt sich der Weg ins Ried.

Steine in den unterschiedlichsten Rottönen verbinden sich in ihr zu kunstvollen Mosaiken. Je länger man sie betrachtet, desto mehr taucht man ein in die verlorene Welt der Benediktiner-Mönche: Still und betriebsam, fromm und hochgebildet. Ein Ausflug zum Kloster Lorsch, der einst größten Abtei des Frankenreiches.

Gräfin Williswinda war so reich, dass sie sich ein eigenes Kloster leisten konnte. Nur für ihr Seelenheil.

Die „Torhalle“ hat die Jahrtausende schadlos überlebt. Doch wozu sie diente, weiß niemand.

Die Weschnitz rauscht und singt heute wieder, während sie über Stromschnellen hüpft. Was sie allerdings nur auf einem kleinen renaturierten Stück ihres Wegs tun darf. Draußen bei der malerischen Wattenheimer Brücke in den Feldern vor Lorsch.

Wer weiß, vielleicht haben genau an dieser Stelle Graf Cancor und seine Mutter Williswinda anno 764 beschlossen, ein Benediktinerkloster zu stiften. Altenmünster. Da Williswinda zu den reichsten Damen im Frankenreich gehörte, stimmte Erzbischof Chrodegang von Metz, sofort zu. Und versprach, das Kloster mit Benediktinermönchen zu besetzten. Denn die Lage der Abtei war erstklassig: Mutterseelenallein in einer fruchtbaren Ebene.

Den Leichnam des heiligen Märtyrers Nazarius kaufte die Gräfin gleich mit dazu.

Doch Williswinda wollte mehr. Als Garantie für ihr ewiges Seelenheil wünschte sich die fromme Dame noch eine Reliquie von einem echten Märtyrer. Da Geld keine Rolle spielte, gelang es Erzbischof Chrodegang tatsächlich, von Papst Paul I. den Leichnam des heiligen Nazarius zu erhalten. Er überführte ihn in die Krypta des neuen Kirchleins, das fortan seinen Namen trug.

Zur Weihe der Klosterkirche reiste einst selbst Kaiser Karl der Große an.

Der Heilige enttäuschte nicht. Nazarius wirkte etliche Wunder, die einen Ansturm von Pilgern zur Folge hatten. Rasch war Altenmünster zu klein. Eine neue, große Abtei entstand oben auf der Sanddüne, wo ausreichend Platz für Expansion war. 774 wurde Kloster Lorsch geweiht. 

Die Klosterkirche muss eine riesige Basilika gewesen sein. Oben auf der Düne.

Die neue Klosterkirche, in der Nazarius jetzt ruhte, muss eine riesige Basilika gewesen sein, hoch oben auf der größten Düne. Die Kirche war komplett ausgemalt und umgeben von einem Atrium, in dem sich die Pilger versammelten. Selbst Karl der Große reiste zur Weihe der Kirche nach Lorsch. Heute ist von all der Pracht nur noch ein Teil des westlichen Mittelschiffs erhalten, datiert auf 1090. Wahrscheinlich die Grablege für Kaiser Ludwig, den Deutschen.

Obwohl auf Sand gebaut, gedieh Kloster Lorsch prächtig. Man darf es sich getrost als stadtartiges Gebilde vorstellen, deutlich wohlhabender als St. Gallen. 778 besaß das Kloster schon über 1500 Immobilien sowie einen Stadthof mit eigenem Schiff in Worms. 60 Mönche arbeiteten im Scriptorium. Sie kopierten wissenschaftliche Texte und trugen Forschungsergebnisse zusammen. Das „Lorscher Arzneibuch“ gehört heute zum UNESCO-Welterbe. 

Das Modell zeigt, wie Kloster Lorsch einst ausgesehen haben könnte.

Nur die Königshalle hat die Zerstörung überlebt. Wofür sie einst gebraucht wurde, weiß niemand.

Im 13. Jahrhundert ging die Blüte der Klöster zu Ende. Die Menschen zog es in die Städte. Kloster Lorsch hielt sich notdürftig über Wasser, bis es 1621 endgültig zerstört wurde.

Zurück blieb allein die „Königshalle“ mit ihren drei offenen Bögen. Die Muster auf ihrer Fassade sind keine Verzierungen sondern echtes Mauerwerk. Hochwertigste Künstlerarbeit. Doch wozu hat man diese Halle gebraucht? Sie war nie mit einer Mauer verbunden, sondern stand immer frei. Wie ein Triumphbogen. Eine Empfangshalle? Eine Bibliothek? Ein Schrein für die Nazariusreliquie? Das Rätsel von Lorsch. 

Kirchenfakten
NameKloster Lorsch 
Adresse: Nibelungenstraße 32, 64653 Lorsch
Konfession: katholisch
Baujahr: 764
Baustil: Karolingisch
Kunstschätze
– Museumszentrum
– Zehntscheuer
– Königshalle
– Freilichtlabor Lauresham 
– Klösterlicher Kräutergarten nach dem Lorscher Arzneibuch
Öffnungszeiten: tagsüber geöffnet
Kontakt: UNESCO Welterbe Kloster Lorsch, Nibelungenstraße 32, 64653 Lorsch
Telefon: 06251-869200
E-Mail:  info@kloster-lorsch.de
Internet: www.kloster-lorsch.de

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